Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Bogenschützen. Ihr Anführer war ein störrischer Mann, der weder Gott noch Teufel fürchtete (und der von seinen Männern mehr als diese beiden verehrt und gefürchtet wurde). So hielten die Bogenschützen die Stellung, als der Drache auf sie herabstieß. Sie hatten die Pfeile schussbereit und feuerten, sobald das Kommando fiel.
Der Himmel war schwarz vor Pfeilen, die zischend auf ihr Ziel zusausten.
Da tauchten sechs Kriegerinnen aus dem Drachenheer auf. Als sie den magischen Schleier teilten, schimmerten ihre Schuppenrüstungen im Sonnenlicht. Jede von ihnen vollführte eine graziöse Handbewegung, als würde sie einen Vogelschwarm aufscheuchen. Die Pfeilschäfte gingen in Flammen auf und waren sofort verbrannt. Es regnete feine Rauchspiralen. Sogar die Pfeilspitzen schmolzen und fielen als Bleitropfen vom Himmel. Als der Drache über sie hinwegstrich, verneigten sich die Frauen tief. Dann verschwanden sie hinter der Illusion.
Die Schützen warfen ihre Bögen weg. In kopfloser Panik trampelten sie übereinander hinweg. Aber sie hatten mit ihrem Widerstand kostbare Zeit verloren, die der Drache prompt nutzte, um sie dafür zu bestrafen. Feuer speiend flog Maristara über die Kompanie hinweg und setzte Kleider und Haare der Männer in Brand. Die unglückseligen Opfer schlugen um sich, wälzten sich auf dem Boden oder verbreiteten die Flammen weiter, während sie kreischend davonrannten, um dem Feuer zu entkommen, das sie verzehrte. Die meisten der Flüchtenden fielen irgendwann tot um. Andere wurden von ihren Kameraden niedergeworfen, um sie doch noch zu retten, aber das erwies sich als sinnlos. Das Drachenfeuer war teuflisch. Es fraß sich durch Lederrüstung, Kleidung und Fleisch, verbrannte Knochen, Sehnen und Muskeln, bis nur noch graue Aschehäuflein zurückblieben.
Markus lag hilflos im Wagen. Bei jeder Bewegung durchfuhren ihn grausame Schmerzen. Er hatte sich beim Sturz die linke Schulter ausgerenkt, und die heftigen Schmerzen zusammen mit den grässlichen, mahlenden Geräuschen in seinem Körper deuteten darauf hin, dass er wohl einige Knochen gebrochen hatte. Ehe man ihn aus der Rüstung schälen konnte, war jedoch unmöglich festzustellen, wie schwer er verwundet war. Und diese Rüstung war so eingedrückt und verbogen, dass sie wohl einen gut ausgestatteten Schmied brauchen würden, um ihn herauszuholen.
Um ihn herum herrschte grenzenlose, vom Entsetzen genährte Verwirrung. Ritter und Offiziere sprangen entweder auf ihre Pferde, um das eigene Leben zu retten, oder standen dicht gedrängt um den König und schrien ihm ins Gesicht, so dass Edward vermutlich kaum mehr einen klaren Gedanken fassen konnte. Markus verfolgte wie gebannt den Flug des Drachen. Maristara war von schrecklicher, tödlicher Schönheit.
Sie setzte den Waldrand auf der Anhöhe in Brand. Pinien, Eichen und Ahornbäume gingen in Flammen auf, auch unweit von dem Wagen mit Markus. Dichte Rauchwolken verpesteten die Luft.
Um nicht in die Bäume zu rasen, musste der Drache höher steigen. Er schwang sich wieder in die Lüfte, vollzog eine langsame Schleife und bereitete sich auf den nächsten Angriff vor.
Edward ergriff nicht die Flucht. Trotzig forderte er alle zum Bleiben und Kämpfen auf, denn – so viel war offensichtlich – es gab ohnehin keinen Ort, an dem der Drache sie nicht erwischen würde, keine Deckung, die er nicht niederbrennen konnte. Einige Ritter folgten dem leuchtenden Vorbild der Prinzengarde und blieben bei ihrem König. Sie wollten sich nicht nachsagen lassen, dass sie vor ihrem Gegner geflohen waren. Andere, darunter Prinz Wilhelm, beharrten darauf, dass der König und seine Ritter dem Reich in dieser Zeit der Krise lebend mehr nützen würden als tot. Ihr Heldentod würde nur den Bänkelsängern helfen, die einmal Geld damit verdienen würden.
Der Streit wurde von dem Geschrei der Soldaten unterbrochen, die erschüttert zum Himmel zeigten.
Dort tauchte hoch über Maristara ein zweiter Drache auf. Das Sonnenlicht, das immer stärker vom Rauch des prasselnden Waldbrands verdunkelt wurde, ließ seine Schuppen rot aufblitzen.
Eine ruhige, kühle Stimme ertönte in Markus' Kopf: »Sieh zu, dass du deinen Vater hier wegschaffst, zum Kuckuck!«
Obwohl die Bewegung ihm Höllenqualen bereitete, von denen er beinahe ohnmächtig geworden wäre, griff Markus nach dem Arm seines Vaters.
»Vater«, stöhnte er. »Das ist Drakonas.«
»Drakonas!«, wiederholte Edward fassungslos. Er starrte zum Himmel und beschirmte
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