Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Reynard versuchte zu sprechen, aber ein Blutschwall aus seinem Mund hinderte ihn daran.
Edward wusste, welche Frage den Ritter so bewegte.
»Seine Hoheit lebt«, versicherte der König, während er dem Sterbenden die Hand drückte. »Gott sei Dank und dank Euch und den anderen ist er nicht gefährlich verwundet.«
Ein Lächeln zuckte über die fahlen, blutigen Lippen. Dann zog Reynard eine Grimasse. Sein Körper erschauerte. Er keuchte noch einmal auf. Die kalte Hand, die Edward hielt, erschlaffte.
Der König legte dem jungen Mann die Hand auf die blutige Brust und schloss seine starren Augen.
»Vater«, meldete Wilhelm sich leise zu Wort. »Wir haben ein Problem.«
»Der Feind greift an?«, fragte Edward müde. Plötzlich fühlte er sich zu alt für den Krieg.
»Nein«, sagte Wilhelm düster. »Ich wünschte, es wäre so. Sie sind verschwunden.«
Edward starrte auf das Feld hinaus. Er sah nichts. Keine Spur von den Kriegern, die eben noch tödliche Pfeile geworfen und Feuer aus den Fingern geschossen hatten. Er sah den Wind über das Gras streichen und die Sonne auf den Rüstungen der toten Ritter blinken. Und er hörte das Entsetzen, das sich wie Zikadensummen unter seinen Soldaten ausbreitete.
»Wie schlau«, murmelte er in sich hinein. »Verdammt schlau!«
Er konnte sich ausmalen, was seine Männer einander zuraunten.
»Die Dämonen können überall sein. Vielleicht schleichen sie gerade durch das Gras heran.«
»Oder schlüpfen hinter uns und schneiden uns die Kehle durch.«
»Oder stecken uns in Brand so wie die Ritter.«
»Wie soll man gegen eine Armee kämpfen, die man nicht sehen kann?«
»Wie soll man gegen eine Armee kämpfen, die der Teufel schickt?«
Furcht ist ansteckend. Selbst die Königsgarde war beunruhigt. Einige Ritter zogen ihre Schwerter, andere spähten nach hinten. Edward brauchte seine ganze Entschlossenheit, um nicht dasselbe zu tun. Auch ihm stellten sich die Nackenhaare auf. Unwillkürlich malte er sich aus, wie einer dieser unheimlichen Krieger sich von hinten an ihn anschlich.
»Wir werden Männer verlieren«, stellte Wilhelm fest. »Da!« Er deutete auf eine Gruppe Soldaten, die ihre Waffen wegwarfen und um ihr Leben in den Wald rannten. Die Offiziere fluchten und drohten, klangen aber selbst nicht sehr zuversichtlich.
Jemand, der von hinten zu ihm trat, ließ Edward zusammenzucken.
»Mein König«, sprach ein junger Bursche ihn an, »Euer Sohn wünscht Euch zu sprechen.«
Edward eilte zu den Männern, die Markus auf einen Karren hoben, um ihn zur Burg seines Bruders zurückzubringen. Markus lag auf der Trage, noch halb in seiner zerdrückten Rüstung. Seine Augen waren klar und offen, obwohl Schmerz darin stand.
»Er wollte unbedingt mit Euch sprechen, Majestät. Sonst wollte er nicht von der Stelle weichen.«
»Mein Sohn«, begrüßte Edward ihn lächelnd. »Ich bin so froh …«
Markus unterbrach ihn. »Du musst zum Rückzug blasen, Vater!«, bedrängte er den König mit weißem Gesicht. »Zieht euch zurück! Gegen das, was jetzt kommt, könnt ihr nicht kämpfen!«
Edward beugte sich über seinen Sohn und nahm dessen Hand. Er hatte einmal den Fehler gemacht, Markus nicht zu vertrauen. Diesen Fehler wollte er nicht wiederholen.
» Was kommt, mein Sohn?«, fragte er.
In diesem Augenblick entdeckte jemand den Drachen.
»Tod von oben«, antwortete Markus.
Maristara brauste von Norden her, von Drachenburg aus, über die Wipfel. Sie flog schnell und mit tödlicher Absicht, den Hals lang ausgestreckt, die Augen nach unten gerichtet. Ihr riesiger Körper und ihre weit ausgebreiteten Flügel verdeckten die Sonne. Bald verließ sie die Wolken und tauchte nach unten ab. Ihr Atem spie schon beim Nahen Feuer. Indem sie die Niederungen in Flammen aufgehen ließ, zeigte sie den Menschen, die sich duckten, wenn sie kam, welchen Tod sie erleiden würden.
Die bröckelnde Armee des Königs löste sich auf. Die Kommandanten hatten keine Macht mehr über die Männer. Manche behielten den Kopf und versuchten, einen Aufruhr zu verhindern, während andere den Rückzug selbst anführten. Jeder versuchte, sich selbst zu retten. Alles lief einfach los. Die Männer schubsten und drängelten und stachen ihre Kameraden manchmal einfach nieder, um sich vor dem Schrecken zu retten, der da auf sie herabstieß. Der Anblick der »Dämonenkrieger« hatte den Soldaten Angst gemacht. Der Anblick des Drachen war überwältigend.
Die einzige Bodenkompanie, die ausharrte, waren die
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