Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Leben, abgesehen von gelegentlichen Überflutungen. Wenn so etwas geschah, begruben sie ihre Toten, schaufelten den Schlamm aus den Häusern und kehrten auf den Fluss zurück, sobald dieser sich in sein Bett zurückgezogen hatte.
Markus fragte sich auch, was aus Evelina geworden war. Als er sich nach ihr erkundigte, erzählte eine Frau, dass Evelina zum Fluss gegangen sei, dorthin, wo die Frauen ihre Wäsche wuschen. Man kümmere sich gut um sie, und er solle sich keine Gedanken machen.
Das tat er auch nicht. Irgendwann heute Abend würde er einen Moment finden, wo er unter vier Augen mit ihr reden konnte. Er wollte ihr so zartfühlend wie möglich beibringen, dass er nicht in sie verliebt war. Wie jeder normale Mann ging er davon aus, dass sie darüber ein vernünftiges Gespräch führen könnten, und damit wäre die Sache aus der Welt.
An diesem Abend gab es im Dorf ihm zu Ehren ein Fest. In einem riesigen Kessel über einem lodernden Feuer kochten Fisch und Zwiebeln vor sich hin. Er sah Evelina zwar, fand aber keine Gelegenheit, mit ihr zu reden, weil Männer und Frauen getrennt voneinander aßen, die Frauen erst, nachdem sie die Männer bedient hatten. Evelina hatte sich anscheinend mit den Frauen angefreundet, denn man bemühte sich sehr um sie. Jemand hatte ihr frische Kleider gegeben, die wie seine eigenen waren – abgetragen und geflickt, aber sauber und bequem. In den handgewebten Sachen sah sie gesund und frisch aus, und als sie seinen Blick auffing, wurde sie rot und lächelte. Sofort fühlte sich Markus verunsichert. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass Evelina vielleicht weniger logisch dachte als er.
Er versuchte, ihr zu signalisieren, dass er mit ihr reden wollte, doch sie schien ihn absichtlich zu ignorieren. Schließlich versank die Sonne im Fluss, und die Fischer gingen zu Bett. Evelina spazierte mit der Tochter des Dorfältesten davon. Der Prinz wollte ihr nicht nachlaufen, am allerwenigsten vor all den Männern, die am Feuer saßen, tranken und Geschichten erzählten. So wünschte er allen eine gute Nacht und kehrte allein ins Haus zurück.
Da er den Großteil des Tages verschlafen hatte, war er noch nicht müde. Er setzte sich ans Herdfeuer, wo er vor sich hin grübelte – über Evelina, Nem, Drakonas, den Drachen, seinen Vater, all das, woran er den ganzen Tag nicht hatte denken wollen. Schließlich wurde ihm klar, dass er Nem nie wiedersehen würde. Er konnte es nicht einmal wagen, mit ihm Kontakt aufzunehmen, weil stets der Drache im Hintergrund lauerte und versuchte, einen Zugang zu ihnen zu finden. Drakonas war tot, dessen war Markus sich sicher. Drachenburg würde hinter der Illusion verborgen bleiben, während seine Armee loszog, um Markus' Volk zu unterwerfen.
»Aber wenn ich diesen Fischern hier erkläre, dass keine zwanzig Meilen von ihren Fischgründen eine große Stadt steht, werden sie mich fesseln und alle scharfen Gegenstände außer Reichweite bringen«, grollte Markus. »Ich kann nicht einmal davon ausgehen, dass mein eigener Vater mir Glauben schenkt. Das alles klingt so absurd.«
Es klopfte leise an der Tür. »Ich bin's, Evelina«, flüsterte sie gedämpft.
Markus seufzte unhörbar. Auf dieses Gespräch hätte er gern verzichtet, aber er musste einiges klarstellen und sie freundlich zurückweisen.
Also machte er die Tür auf.
»Niemand hat mich gesehen«, versicherte sie ihm, als sie ins Haus schlüpfte. Evelina trug einen Umhang, dessen Kapuze sie über den Kopf geschlagen hatte. An ihrem Arm hing ein Korb, den sie nun auf den Tisch stellte. Den Umhang legte sie ab und warf ihn in eine Ecke.
»Du solltest die Tür zumachen, Markus. Sonst sieht noch jemand das Licht.«
Erst bei diesen Worten fiel ihm auf, dass er an der offenen Tür stehen geblieben war. Trotz seines unguten Gefühls folgte er ihrer Aufforderung und schloss die Tür. Als er sich wieder umdrehte, holte sie gerade einen Krug und einen Becher aus dem Korb.
»Ich habe Wein mitgebracht«, sagte sie.
»Evelina, ich möchte mit dir reden.«
»Und ich möchte mit Euch reden, Hoheit«, sagte sie.
Sie goss Wein in den Becher und brachte diesen zu Markus. Mit dem Becher in den Händen blieb sie vor dem Prinzen stehen. Sie hatte sich die Haare gewaschen, die nun in blonden Locken über ihre Schultern fielen. Im flackernden Feuerschein wirkten ihre Augen warm und sanft.
»Es tut mir leid, dass ich gestern Abend so vertraulich wurde, Hoheit«, begann sie. »Mir ist klar, dass ich mich unpassend benommen
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