Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
Herrschaft des Staates über die Gesellschaft. Das Gesetz als Strafverfolgungsinstrument, Überwachung, Spitzel, die Verfolgung von Abweichlern und politischer Zwang waren ihre grundlegenden Werkzeuge.
Beide Philosophien wünschten sich einen vereinigten Staat, einen mächtigen Herrscher und eine Gesellschaft von Untertanen, doch während die Legalisten Köpfe einschlugen, lehrten die Konfuzianer Respekt – den willigen Gehorsam des Volks. Als im dritten Jahrhundert vor Christus das legalistische Erste Kaiserreich stürzte, wurde der Legalismus durch Konfuzianismus ersetzt. So blieb es in der einen oder anderen Form bis ins zwanzigste Jahrhundert, als die Kommunisten eine Rückkehr des Legalismus beförderten.
Doch inzwischen war das konfuzianische Denken wieder populär. Die Menschen identifizierten sich mit seinen friedlichen Grundsätzen, gerade auch nach sechzig Jahren harter Unterdrückung. Noch verstörender war das Erstarken demokratischer Ideen, also einer Philosophie, die noch beunruhigender war als der Konfuzianismus.
»Ich habe auch eine gute Nachricht«, sagte der Experte. »In dieser anderen Angelegenheit habe ich eine weitere Bestätigung gefunden.«
Tang folgte dem Mann zum nächsten Steintisch.
»Diese Bambusschriftrollen sind wie Jahresberichte des Ersten Kaiserreichs.« Tang wusste, dass die alten Chinesen sehr vieles in detaillierten Aufzeichnungen festgehalten hatten, insbesondere Naturerscheinungen. In seinem Spezialgebiet, der Geologie, hatten sie Steine nach ihren Bestandteilen als Erze, Nichtmetalle oder Tone klassifiziert. Sie hielten den Hä rtegrad, die Farbe, den Glanz sowie die Form fest. Sie erforschten sogar, welche Substanzen tief unter der Erde gebildet worden waren, und notierten, wie sie zuverlässig gefunden werden konnten.
»Es gibt hier Berichte über Erkundungsbohrungen«, erzählte der Experte. »Sie sind recht präzise.«
Tang hatte bereits weitere Seidentücher entdeckt. Landkarten. »Ist unser Erkundungsort dort festgehalten?«
Der Mann nickte. »Das Gebiet als Ganzes ist abgebildet. Aber ohne geografische Bezugspunkte kann man den Ort nicht genau bestimmen.«
Die alten Chinesen hatten zwar den Kompass und die Kartografie erfunden, kannten aber keine Breiten- oder Längengrade. Dies war eine der wenigen revolutionären Ideen, die die Chinesen nicht als Erste entwickelt hatten.
»Schaffen Sie die Karten und alles, was unmittelbar mit unserer Suche zusammenhängt, zur Seite und sorgen Sie für ihre Konservierung.«
Der Experte nickte.
»Der Rest ist unwichtig. Jetzt zu dem anderen Problem. Zeigen Sie sie mir.«
Der Mann griff in seine Manteltasche und reichte ihm einen silbernen Gegenstand, der im Licht glänzte.
Eine Uhr.
Sie schien industriell gefertigt zu sein; Ziffern und Zeiger leuchteten in der Dunkelheit. Auf der einen Seite ragte eine Krone heraus, und das Wort Shanghai ließ erkennen, wo das Objekt gefertigt worden war.
»Die hier ist Jahrzehnte alt«, sagte er.
»Sie wurde nach unserem Durchbruch im Inneren der Kammer gefunden. Die Erregung der Museumsarchäologen gilt noch mehr diesem Fund als den Manuskripten.«
Jetzt verstand er, wie schwer es für den Direktor gewesen war, die Sache geheimzuhalten. »Dann war also schon einmal jemand hier drin?«
Der Experte nickte. »Eindeutig. In Qin Shis Zeit gab es keine Uhren. Drehen Sie sie einmal um.«
Auf der Rückseite waren chinesische Schriftzeichen eingraviert. Er trat näher ans Licht und las die Inschrift:
D IENE D EM V OLK
1968
Er hatte schon einmal eine Uhr mit einer solchen Inschrift gesehen. Sie waren anlässlich Mao Zedongs fünfundsiebzigstem Geburtstag an ausgewählte Parteimitglieder verschenkt worden. Kein Luxusobjekt, nichts Teures, sondern einfach nur die Erinnerung an einen großen Tag.
26. Dezember 1968.
Nur sehr wenige Führer der ersten Generation waren noch am Leben. Auch wenn sie im kommunistischen Pantheon einen besonderen Platz einnahmen, waren doch viele Maos Säuberungen zum Opfer gefallen. Andere waren an Altersschwäche gestorben. Doch einer von ihnen war noch immer in der Regierung aktiv.
Der Parteigeneralsekretär, der sein vom ehemaligen Vorsitzenden erhaltenes Geschenk gelegentlich herumgezeigt hatte.
Tang brauchte eindeutige Informationen. »Hier gibt es also keine konfuzianischen Texte? Sind Sie sicher?«
Der Experte nickte. »In diesem Raum ist kein einziger zurückgeblieben. Die Manuskripte sollten hier sein, aber sie sind verschwunden.«
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