Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
nicht die Absicht, Ihnen Sokolovs Jungen zurückzugeben. Daher hat er beschlossen, die Lampe hier an sich zu bringen.«
»Warum ist er nicht einfach selbst zu Pau Wen gegangen? Oder hat Sie geschickt? Warum mich?«
»Das weiß ich ganz ehrlich nicht.«
Sie hielt die Pistole weiter auf ihn gerichtet. » Ehrlich? Also das ist ein Wort, das es in Ihrem Vokabular doch gar nicht gibt.« Sie fixierte ihn scharf. »Sie haben mich gefoltert.«
»Ich habe dafür gesorgt, dass Sie nicht gefoltert wurden.«
»Nicht aus meiner Sicht.«
Sein Gesicht wurde weicher. »Wäre Ihnen Waterboarding durch jemanden, der es damit ernst gemeint hätte, lieber gewesen?«
Er hatte sich seit letztem Jahr verändert. Er war zwar immer noch klein und untersetzt, doch statt einer zerzausten Wuschelfrisur trug er das Haar jetzt sorgfältig über den Ohren geschnitten. Die breite Nase und die tief liegenden Augen, die den slawischen Einfluss verrieten, waren geblieben, aber sein Teint war dunkler als in Zentralasien. Er war Anfang vierzig, nicht älter, und hatte seine unförmige Kleidung von damals gegen eine schickere, enger sitzende Hose und ein Designerhemd getauscht, das seine gut ausgebildeten Muskeln erkennen ließ.
»Wo ist der Junge?«, fragte sie.
»Sokolov hat die Russen an der Nase herumgeführt. Jetzt führt er die Chinesen an der Nase herum. Und mit diesen beiden macht man keine Spielchen, vor allem nicht mit den Chinesen. Sie töten jemanden, ohne dass es irgendwelche Folgen hat, da sie selbst das Gesetz sind.«
»Wir sind hier nicht in China.«
»Aber Sokolov ist dort. Tang sucht ihn. Ich vermute, dass sie ihn versteckt haben, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis er gefunden wird. Tang hat Zehntausende von Spionen, und jeder möchte dem Vize-Parteigeneralsekretär zu Gefallen sein. Schließlich wird er ja vielleicht sogar der nächste Parteigeneralsekretär Chinas. Sie oder ich spielen im Gesamtplan keine besonders wichtige Rolle.«
Das bezweifelte sie. »Was tun Sie für Tang?«
»Er hat mich letzten Herbst engagiert. Er brauchte einen nicht-chinesischen Mitarbeiter, und ich hatte gerade keinen Job. Diesen speziellen Auftrag hat er mir erst gegeben, als ich Ihren Namen hörte. Als ich meine Verbindung zu Ihnen erklärte – natürlich mit ein paar notwendigen Detailänderungen –, hat Tang mich hierhergeschickt.«
Sie senkte die Waffe, doch ihre Nerven waren aufs Äußerste gespannt. »Haben Sie eine Ahnung, was Sie mir angetan haben?«
»Mir blieb keine andere Wahl. Tang erteilt die Befehle. Als ich Ihnen gestern Ihr Essen bringen ließ, habe ich Ihnen eine Gelegenheit zur Flucht geboten, aber Sie haben geschlafen. Vorhin habe ich meinen Landsmann in der Hoffnung zu Ihnen geschickt, dass Sie diesmal handeln würden.« Er zeigte auf die Pistole. »Und das haben Sie ja offensichtlich auch getan. Ich habe hier auf Sie gewartet.« Er deutete auf das Handy, das auf dem Tisch lag. »Dieses Telefongespräch war nur vorgespielt.«
»Und wieso haben Sie geglaubt, dass ich nicht einfach verschwinden würde?«
»Weil Sie wütend sind.«
Dieser Mann kannte sie gut. »Gibt es hier sonst noch irgendwelche Helfer?«
»Nur den Mann in Ihrer Zelle. Haben Sie ihn verletzt?«
»Es wird etwas zurückbleiben.«
»Cassiopeia, Karl Tang möchte diese Lampe haben. Können Sie sie ihm nicht einfach geben und fertig?«
»Und das Kind verlieren? Wie Sie selbst sagten, ist der einzige Trumpf, den ich in die Verhandlungen einbringen kann, diese Lampe. Sie haben behauptet, dass Sie wissen, wo der Junge festgehalten wird. Sagen Sie es mir.«
»So einfach ist das nicht. Sie würden nie in seine Nähe kommen. Lassen Sie mich Ihnen helfen.«
»Ich arbeite allein.«
»Und deshalb haben Sie Malone in die Sache hineingezogen? Ich wusste, dass das vorhin eine Lüge war, aber Tang hat darauf bestanden, dass ich ihn kontaktiere.«
»Was ist in Kopenhagen geschehen?«
»Ich habe nichts von den beiden Boten gehört, die für den Auftrag engagiert wurden. Aber wie ich Malone kenne, ist ihnen sicherlich etwas Schlimmes zugestoßen.«
Sie musste in Dänemark anrufen und alles erklären. Aber nicht von hier aus. »Wo sind die Schlüssel des Wagens, der draußen steht?«
»Sie stecken im Zündschloss.« Er erhob sich vom Stuhl. »Lassen Sie mich mitkommen. Ich kann nicht hierbleiben. Was auch immer ich sage, Tang wird mich für Ihre Flucht verantwortlich machen. Ich arbeite nicht mehr für ihn. Ich besitze gute Geheiminformationen über seine
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