Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)

der die Ambitionen kommunistischer Herrschaft gleichgültig waren. Diese Menschen konzentrierten sich auf die Familie und das kulturelle und ökonomische Leben, nicht auf die Nation. Die Ärztin im Krankenhaus erschien ihm als ausgezeichnetes Beispiel dafür.
    China veränderte sich.
    Aber in der chinesischen Geschichte hatte kein einziges Regime die Macht ohne Blutvergießen aufgegeben, und die kommunistische Partei würde nicht als Erste einen solchen Weg einschlagen.
    Sein Plan, an die Macht zu gelangen, würde Kühnheit erfordern, aber er hoffte, dass das, was er zu beweisen versuchte, den Menschen eine gewisse Sicherheit bieten würde. Er wünschte sich einen Anstrich von Legitimität für seine Herrschaft und erhoffte sich, dass sie vielleicht sogar eine Quelle des Nationalstolzes darstellen würde.
    Oben tat sich plötzlich etwas.
    Darauf hatte er gewartet.
    Hinter dem Geländer fünf Meter weiter oben tauchte eine schwarz gewandete Gestalt auf, dann eine weitere. Beide Männer waren schlank und muskulös. Das Haar war kurz geschnitten, und die Gesichter ließen keine Regung erkennen.
    »Hier unten«, sagte Tang ruhig.
    Beide Männer verschwanden.
    Als er seinen Experten aus dem Westen hatte kommen lassen, hatte er auch befohlen, dass zwei weitere Männer ihn begleiten sollten. Sie hatten Tangs Befehl in der Nähe erwartet. Auf seinem Weg von Grube 3 hierher hatte er sie angerufen.
    Die Männer tauchten auf der anderen Seite der Soldatenreihe auf und näherten sich lautlos. Einige Meter vor ihm blieben sie stehen.
    »Verbrennt alles«, befahl er. »Im Raum befinden sich elektrische Kabel und ein Trafo, denen kann man die Schuld am Ausbruch des Feuers geben.«
    Beide Männer verneigten sich und gingen.
    Malone und Stephanie überquerten den Højbro Plads. Jetzt, am späten Nachmittag, stand die Sonne bereits hinter den Dächern Kopenhagens. Ivan war gegangen. Er hatte gesagt, er habe etwas zu erledigen und wolle in einer Stunde zurück sein.
    Malone blieb vor einem Brunnen stehen und setzte sich auf den feuchten Rand. »Vor ein paar Jahren ist dir hier eine Handtasche gestohlen worden.«
    »Ich erinnere mich. Das hat sich damals zu einem ziemlichen Abenteuer entwickelt.«
    »Ich möchte genau wissen, worum es hier eigentlich geht.«
    Sie schwieg.
    »Du musst mir sagen, was hier auf dem Spiel steht«, erklärte Malone. »Und zwar alles. Es geht hier nicht nur um ein verschwundenes Kind oder den nächsten Parteigeneralsekretär Chinas.«
    »Ivan glaubt, wir wissen nicht Bescheid, aber er irrt sich.«
    »Kläre mich auf.«
    »Es ist tatsächlich ziemlich bemerkenswert. Und es geht auf etwas zurück, was Stalin von den Nazis gelernt hat.«
    Jetzt kamen sie allmählich weiter.
    »Während des Zweiten Weltkriegs lieferten Raffinerien in Rumänien und Ungarn Deutschland einen großen Teil seines Öls. 1944 waren diese Raffinerien vollständig zerbombt, und es ist wohl kein Zufall, dass der Krieg kurz darauf endete. Stalin beobachtete, wie Deutschland das Öl buchstäblich unter den Händen zerrann. Er beschloss, dass Russland in dieser Hinsicht autark sein würde. Er betrachtete die Abhängigkeit von ausländischem Öl als eine katastrophale Schwäche, die um jeden Preis zu vermeiden war.«
    Das haute Malone nicht gerade um. »Wer würde das nicht gerne vermeiden?«
    »Im Gegensatz zum Rest der Welt, einschließlich uns Amerikanern, hat Stalin herausgefunden, wie er das anstellen musste. Ein Professor namens Nikolai Kudryavtsev hat ihm die Lösung verschafft.«
    Er wartete ab.
    »Kudryavtsev vertrat die These, dass Öl kein fossiler Brennstoff ist.«
    Malone kannte die konventionelle Theorie. Über Millionen von Jahren war ein uralter, urzeitlicher Morast aus Pflanzen und Tieren, darunter auch Dinosauriern, von Sedimenten eingeschlossen worden. Weitere Millionen Jahre der Hitze und des Drucks hatten das Gemisch zu Erdöl komprimiert. Es hatte daher auch den Namen fossiles Öl erhalten.
    »Kudryavtsev behauptete, dass Öl nicht biotisch ist, also nicht aus Biomasse stammt, sondern dass es tatsächlich abiotisch ist – einfach ein ursprünglicher Stoff, den die Erde bildet und regelmäßig absondert.«
    Malone begriff sofort, was das bedeutete. »Es ist unerschöpflich?«
    »Das ist die Frage, die mich hergeführt hat, Cotton. Die Frage, die wir beantworten müssen.«
    Sie berichtete ihm von sowjetischen Ölbohrungen in den 1950ern, bei denen große Reserven in weit über tausend Metern Tiefe entdeckt worden waren.