Das verbotene Tal
Luft streckte. Freundlich bittend schien das Kleine zu sagen:
„Tu mir nicht weh, großer Hund! Ich bin
doch nur ein kleines, hilfloses Ding und möchte dein Freund sein!“
Lassie wedelte mit dem Schwanz, aber
Dave Brunson bemerkte es nicht. Er sah nur das kleine Hündchen am Boden liegen
und meinte, Lassie habe ihm etwas getan. Letty kreischte auf.
„Laß den bösen Hund meinen Kleinen
nicht umbringen!“ Aufgeregt versuchte sie, sich aus den Armen der Mutter zu
befreien und dem Hündchen zu Hilfe zu eilen.
Zwei Sekunden später stürmte Timmy auf
den Hof. Kaum erblickte er den wütenden Mann, der mit erhobener Latte auf
seinen Collie loslief, als er schreiend dazwischensprang.
„Schlagen Sie Lassie nicht!“
Brunson schob ihn beiseite, aber Timmy
war mit ein paar wilden Sprüngen bei dem Collie, warf sich über ihn und schlang
die Arme um seinen Hals.
„Tun Sie es nicht!“ kreischte er noch
einmal.
Aber die Latte sauste schon herab, und
Brunson konnte den Schlag nicht mehr aufhalten. Aber statt Lassie traf er
Timmy, streifte seine Schulter; der Junge schrie vor Schmerz auf.
Blitzschnell schnellte Lassie hoch und
packte mit den Zähnen Brunsons Handgelenk, knurrend und grollend. Brunson fuhr
zurück und versuchte, sie abzuschütteln.
„Laß los!“ schrie er und ließ die Latte
fallen.
Aber Lassie hielt den Mann, der ihrem
jungen Herrn weh getan hatte, eisern fest, und erst als Timmy ihr zuschrie, sie
solle ihn loslassen, gab sie das Handgelenk frei. Gehorsam lief sie ein paar
Schritte zurück, bleckte aber knurrend die Zähne und hielt sich zwischen
Brunson und Timmy. Der Junge schlang ihr den Arm um den Nacken, hielt sie fest
und schaute den Mann starr an. Boomer war in sicherer Entfernung
stehengeblieben und beobachtete alles mit erschrockenen Augen.
„Sie haben mich geschlagen!“ rief Timmy
vorwurfsvoll.
Dave Brunson sah ihn zerknirscht an. „Ich
wollte dich nicht treffen, mein Junge, habe auf deinen Hund gezielt. Er wollte
doch unser Hündchen totbeißen.“
„Lassie ist kein ,Er’, sondern eine
,Sie’!“ berichtigte Timmy. „Und sie hat Ihrem Hündchen überhaupt nichts getan!“
Schützend umschlang er Lassie immer fester.
„Jage sie fort, Dave!“ ertönte Frau
Brunsons böse Stimme.
Ganz fest hielt sie ihre Letty, aber
das Mädchen bemühte sich aus Leibeskräften, sich zu befreien.
„Mama, laß mich doch!“ flehte es. „Ich
möchte den großen Hund streicheln.“
„Um Gottes willen!“ Die Mutter packte
das Kind nur noch fester. „Dave, steh doch nicht so herum!“ kreischte sie
fassungslos. „Jag den fürchterlichen Hund weg! Los, fort mit ihm!“
„Wir gehen schon von selbst!“ knurrte
Timmy trotzig. Er sah das kleine Hündchen am, das um Lassie herumtollte und sie
zum Spielen verlocken wollte. „Verschwinde, Kleiner!“
Dann ging er auf den Berghang zu und
zog Lassie mit. „Komm!“
Boomer schloß sich ihnen an, und auch
das kleine Hündchen lief hinterher. Dave Brunson schaute ihnen nach. Es tat ihm
leid, daß er den Jungen geschlagen hatte, auch wenn es nicht absichtlich
geschehen war. So bald wie möglich wollte er feststellen, wie der Junge hieß,
und sich bei seinen Eltern entschuldigen. Sicherlich konnte ihm jemand in
Calverton sagen, wer die beiden Jungen waren.
„Hoffentlich hast du ihnen klargemacht,
sie sollten sich nie wieder auf unserem Grund blicken lassen!“ jammerte Meta
Brunson mit zitternder Stimme.
„Die kommen bestimmt nicht wieder,
Meta, übrigens wollte sich der Hund offenbar nur mit Pom-Pom anfreunden!“
beschwichtigte er seine Frau.
Sie hatte inzwischen die kleine Letty
freigelassen. Und plötzlich rannte das Mädchen hurtig wie der Wind hinter den
Jungen her.
„Letty!“ schrie Frau Brunson auf. „Komm
sofort zurück!“
Aber Letty stolperte weiter den Berg
hinan, ohne Rücksicht auf die Dornen, die an ihrem Kleidchen zerrten.
„Pom-Pom, hierher!“ rief sie. „Hierher,
Pom-Pom!“
Timmy und Boomer blieben stehen und
blickten sich verblüfft um. Sie hatten gar nicht bemerkt, daß das Pudeljunge
ihnen nachgelaufen war. Dem Kleinen mit den kurzen Beinchen fiel es recht
schwer, den Berg hinaufzuklimmen.
„Husch, zurück!“
Timmy fuchtelte mit den Armen, aber der
kleine Pudel kletterte ungerührt weiter. Und als er endlich heran war, fing er
munter an, nach dem Ohr der geduldigen Collie-Hündin zu springen. Lassie nahm
den Angriff zunächst gutmütig hin, als aber die kleinen Zähnchen sich tatsächlich
in ihrem Ohr
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