Das verbotene Tal
ich doch versucht“, meinte
er. „Aber das einzige Angebot war viel zu niedrig.“
„Trotzdem sehe ich einfach nicht ein,
warum wir hier wohnen müssen!“
„Weil es unser Hof ist und weil es
Letty sehr, sehr guttun wird, auf dem Lande zu leben!“ Ganz fest klang nun
Daves Stimme.
„Aber du verstehst doch gar nichts von
Landarbeit!“ Das war ein alter Einwand Metas. „Du hast keine Ahnung, wie du es
anstellen sollst, den Hof wieder flottzumachen.“
„In Calverton gibt es viele Leute, die
mich gern beraten werden.“ Dave legte seiner Frau den Arm um die Schultern. „Paß
auf, wir werden es schon irgendwie schaffen!“
Er zog sie zur Tür, und die beiden
schauten Letty zu, die mit Pom-Pom fröhlich auf dem Hof umhertollte. Das
Mädchen hob den kleinen Pudel auf und preßte ihn so fest an sich, daß er empört
loskläffte.
„Ach, entschuldige, Pom-Pom!“ rief
Letty. „Aber du bist einfach zu goldig!“
Kaum erblickte sie die Eltern, als sie
herangelaufen kam. Plötzlich jedoch gelang es dem kleinen Pudel, sich zu
befreien, und er rannte davon. Letty jagte ihm nach.
„Komm sofort zurück, du Nichtsnutz!“
rief sie.
Metas Gesicht hellte sich auf, und
fröhlich lachten beide Eltern über die Freude ihres Kindes. Meta lehnte die
Wange an die Schulter des Gatten.
„Vielleicht geht es doch. Ich will dir
nach Kräften helfen!“
Dave lächelte sie an. „Das weiß ich,
Liebste. Und Letty wird es bestimmt gut bekommen. Dad hat doch immer erzählt,
wie krank ich damals als Baby war, als wir herkamen. Und als wir fortgingen,
sagte er, sei ich stark wie ein Ochse gewesen. Das hat alles das Tal bewirkt. „
Meta lächelte schwach. „Ich möchte aber
gar keinen weiblichen Ochsen zur Tochter, Dave!“ wehrte sie ab. „Wenn du nichts
dagegen hast, versuche ich dafür zu sorgen, daß sie ein gesundes Mädchen wird!“
Letty hatte inzwischen die Jagd nach
Pom-Pom aufgegeben und kam außer Atem zurück.
„Er heißt Timmy Martin“, sagte sie
unvermittelt.
„Wer heißt so, Kindchen?“ Meta strich
ihrem Töchterchen die Haare aus dem Gesicht.
„Na, der Junge mit dem großen, schönen
Hund. Darf er bald wiederkommen und mit Pom-Pom und mir spielen?“
„Mal sehen, was sich machen läßt,
Kleines!“ versprach ihr Dave schnell. Aber er bemerkte wohl, wie seine Frau die
Stirn runzelte und die Lippen fest zusammenpreßte.
„Am besten stellst du nun den Herd auf“,
sagte sie. „Sonst gibt es heute abend nichts zu essen!“
DIE HÖHLE
Als Timmy und Boomer vom Berg
herunterkamen und durch den Wald heimwärts gingen, stand die Sonne noch hoch.
Am Bach, wo sie ihre Angelruten versteckt hatten, hielten sie an.
„Wollen wir nicht ein bißchen angeln?“
meinte Boomer. „Wir haben doch noch viel Zeit!“
„Meinetwegen kannst du ja angeln“,
erwiderte Timmy. „Aber ich sehe lieber nach, ob während unserer Masern jemand
in der Höhle war und meine Steinsammlung gestohlen hat.“
„Hm, da gehe ich mit“, stimmte Boomer
zu.
Ihm taten schon die Beine weh von der
dauernden Kletterei bergauf und bergab, aber auf keinen Fall wollte er Timmy
eingestehen, daß er müde war. So brachen sie also auf und schlichen einen Pfad
entlang, den sie nach Art der indianischen Pfadfinder mit kleinen Kennzeichen
versehen hatten. Eigentlich allerdings hatten sie die Markierung gar nicht
nötig, denn sie waren schon so oft in ihrer Höhle gewesen, daß sie den Weg im
Schlaf fanden. Aber es machte ihnen eben Spaß, sich von einem Zeichen zum
andern neu zu orientieren.
Die Höhle lag in einem ganz
abgelegenen, unberührten Teil des Waldes. Weil ein paar Felsbrocken schroff emporwuchsen
und den ersten Siedlern den Weg verlegt, hatten, waren sie in weitem Bogen
ausgewichen. Viele Generationen von halbwüchsigen Jungen hatten seitdem die
Höhle immer wieder von neuem entdeckt und als ihr Eigentum beansprucht — als
einen Schlupfwinkel vor dem grauen Alltag. Und wenn sie dann groß wurden,
hatten sie in romantischem Gefühl die Höhle so gelassen, wie sie war: als
Andenken an die Zeit, da harte Pioniere hier Zuflucht vor verfolgenden
Indianern gesucht hatten.
Während der letzten dreißig oder
vierzig Jahre, als viele Leute ein Auto und so gut wie jeder Junge ein Fahrrad
hatten, war den Leuten von Calverton „die alte Indianer-Höhle“ praktisch aus
dem Gedächtnis geschwunden. Den einzigen Weg zu ihr mußte man sich durch
wildwucherndes Unterholz bahnen, und das erhöhte natürlich den mysteriösen
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