Das verbotene Tal

wickelte
seine Mordsbrote aus, ohne auf den verhungerten Blick des Alten zu achten.
    Inzwischen war Timmy in die Höhle
gegangen, um nach seiner Steinsammlung zu sehen, und dabei hatte er den fast
leeren Mehlsack und die Handvoll Bohnen auf dem hölzernen Sims gesehen. Als er
nun wieder herauskam, bemerkte er auch den hohlen Blick in Joeys Augen. Er
setzte sich und wickelte sein Brot aus. Sofort aber schob er es beiseite.
    „Ich habe überhaupt keinen Hunger!“
sagte er zu Boomer. „Du schneidest die Scheiben immer viel zu dick!“
    „Mir sind sie gerade recht so“,
knautschte Boomer mit vollem Mund. „Gib es doch Lassie, wenn du es nicht magst!“
    „Sie mag keine Marmelade, und
Erdnußbutter verklebt ihr immer die Zähne.“ Traurig schüttelte Timmy den Kopf. „Es
wäre doch ein Jammer, wenn das Brot nicht gegessen würde!“
    „Wenn du es ganz bestimmt nicht
willst...“ murmelte Joey.
    „Ja, würden Sie es für mich essen?“ Der
Gedanke schien Timmy noch gar nicht gekommen zu sein. „Mom sagt, es sei eine
Sünde, gutes Essen fortzuwerfen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das Brot
äßen!“
    „Danke, mein Junge, ich glaube schon,
daß ich es schaffen kann!“ Betont langsam nahm Joey das Brot in die Hand, und
er zwang sich, nicht heißhungrig darüber herzufallen. Als er aber dann doch
hineinbiß, da bemerkte Timmy deutlich, wie hungrig der Alte war.
    Boomer stellte, nachdem er die Hälfte
seines Brotes gegessen hatte, ebenfalls fest, daß er genug hatte. Schon wollte
er den Rest ins Gebüsch schleudern, als Timmy ihm in den Arm fiel.
    „Verschwender!“ rief er. „So etwas tut
man nicht!“
    Boomer verhielt mitten im Schwung.
    „Ach, ich habe doch nur so getan, als
wollte ich werfen! „
    „Psst!“ Plötzlich legte der alte Joey
den Finger auf den Mund. Verblüfft und etwas ängstlich schauten die beiden
Jungen auf. Zwinkernd zeigte Joey übers Gebüsch hinweg.
    „Seht nur, dort!“ flüsterte er.
    Zuerst konnten sie gar nichts erkennen.
Lassie stand dicht neben Timmy und lugte ebenfalls in die angedeutete Richtung.
Sie knurrte nicht, sondern wedelte nur ganz langsam mit dem Schwanz. Auf einmal
bemerkten die Jungen eine Bewegung, und sie erkannten eine Ricke mit einem
Kitz: Zwei braune Köpfe lugten aus dem Gebüsch hervor und schauten die
Beobachter mit großen, sanften Rehaugen an.
    „Bleibt ganz still!“ mahnte Joey
flüsternd. Dann warf er mit vorsichtiger Bewegung dem Reh ein Stück von Boomers
Brot hin. Im ersten Augenblick schien die Ricke es nicht beachten zu wollen und
starrte mißtrauisch auf die beiden fremden Jungen und den Hund. Dann aber trat
sie flink aus den Büschen, packte das Brot mit den Zähnen und war sofort wieder
verschwunden. Im selben Augenblick tauchte auch der Kopf des kleinen Rehs im Grün
unter. Und dann hörten die Beobachter, wie die beiden Tiere mit langen Sätzen
durchs Gebüsch davoneilten.
    Timmy und Boomer waren hell begeistert.
    „Kommen die auch wieder?“ zischle Timmy
aufgeregt.
    „Werfen Sie doch noch ein Stück Brot,
dann kommen sie bestimmt“, meinte Boomer.
    Aber Joey betrachtete Lassie, die sich
straff aufgerichtet hatte und leise knurrend hinter dem flüchtigen Wild hersah.
    „Das bezweifle ich, mein Junge. Solange
Lassie da ist, werden die Rehe sich nicht mehr hertrauen. Sie können ja nicht
wissen, daß das brave Tier ihnen nichts antun würde.“
    Er hob Boomers Brot auf und wickelte es
wieder ein.
    „Das hebe ich ihnen für morgen auf“,
erklärte er.
    „Komm nach Hause!“ schlug Boomer vor.
Timmys komischer Freund fing schon an, ihn zu langweilen.
    „Gut!“ Timmy stand auf. „Die Rehe waren
aber hübsch“, meinte er. „Hoffentlich bekommen wir sie noch einmal zu sehen!“
    „Ich habe noch ein paar andere Freunde,
die ihr vielleicht kennenlernen möchtet“, lächelte Joey. „Manche sind so
zutraulich, daß sie mir sogar aus der Hand fressen.“
    „Dann kommen wir bestimmt wieder!“
versprach Timmy. „Bald!“
    „Bis dahin wäre es riesig nett von
euch, wenn ihr niemandem sagtet, daß ihr mich hier gesehen habt!“ mahnte der
Alte.
    Boomer runzelte die Stirn.
    „Wie lange wollen Sie denn noch unsere Höhle
belegen?“
    „Nur ein paar Tage, mein Junge!“
versicherte ihm Joey. „Dann ziehe ich weiter. Ich ruhe mich hier nur etwas aus.“
    „In Ordnung!“ nickte Boomer, ohne auf
Timmys unzufriedenen Blick zu achten. „Wenn wir die Höhle nur bald wiederhaben!“
    „Bleiben Sie nur, so lange Sie