Das verbotene Tal
Küche war sauber, tadellos
aufgeräumt und geputzt, aber überall schien in dicken Buchstaben das Wort „Armut“
angeschrieben. Meta riß sich die Schürze ab, strich sich das Haar glatt und
lief ins Wohnzimmer.
Wie verloren standen die wenigen
Möbelstücke in dem riesigen Raum, aber im Kamin loderte ein lustiges Feuer, und
die Gardinen waren erst heute aufgehängt — alte Laken, in freundliches Rosa
gefärbt.
Schon klangen draußen von der Veranda
die Stimmen der Besucher herein, und Meta zwang sich zu einem Lächeln, während
sie die Tür öffnete.
Aber das Lächeln verging ihr
schlagartig, als sie Timmy und den großen Collie am Ende der Gesellschaft
erkannte. Und Ruth bemerkte sehr gut, daß Meta über den Besuch des großen
Hundes nicht begeistert war.
Sofort wandte sie sich an ihren Jungen.
„Timmy, geh doch lieber mit Lassie ein bißchen spazieren und warte draußen am
Wagen auf uns!“
„Aber ich will doch Letty besuchen!“
protestierte Timmy. „Und Lassie freut sich schon auf Pom-Pom!“
„Letty ist bei ihrem Pony im Stall“,
warf Brunson ein. „Und Pom-Pom wird sicherlich bei ihr sein.“
„Mom, dürfen wir da nicht zu den
beiden?“ fragte Timmy.
Ruth schaute Meta fragend an, die erst
nach einiger Zeit zögernd nackte.
„Gut!“ meinte Ruth, und streng fügte
sie hinzu: „Aber sei nicht so grob. Letty ist nur ein kleines Mädchen und nicht
so stark wie du!“
„Schon gut, Mom! Wir wollen daran
denken!“
Schon stürmten Junge und Hund in wilder
Jagd zum Stall.
Dort sah es ganz anders aus als damals,
als Timmy den Strick suchte, mit dem er den Fremden aus dem Brunnen ziehen
wollte. Staub und Spinnweben waren verschwunden, der letzte Rest des alten,
modrigen Heus weggefegt. Und in der Box stand das hübscheste Shetland-Pony, das
Timmy je gesehen hatte: klein, pummelig, braun, mit einer sternförmigen Blesse
auf der Stirn. Timmy verschlug es den Atem.
„Donnerwetter!“
Lassie aber legte den Kopf auf die
Seite und schnupperte fragend.
Letty jedoch konnte Timmy nicht
entdecken, obwohl er sich überall umschaute und sogar hinter den Stall ein Stück
aufs Feld hinauslief. Enttäuscht kam er zurück, und Lassie folgte ihm dichtauf.
„Sie muß woanders sein!“ meinte er zu
dem guten Hund.
Lassie bellte, witterte angelegentlich,
als wolle sie ihm bei der Suche helfen.
„Ach, ich gebe es auf!“ Resignierend
wollte Timmy zur Vordertür gehen, warf aber doch noch einen hoffnungsvollen
Blick um sich.
Aber so sehr er auch spähte, er suchte
an den falschen Stellen: Letty hatte ihn nämlich kommen sehen und war, den
widerstrebenden Pom-Pom auf dem Arm, flink auf den Heuboden geklettert. Nun
lagen die beiden oben platt auf dem rauhen Bretterboden und lugten aufgeregt zu
dem Besuch hinunter.
„Hallo, Letty!“ rief Timmy. „Wo steckst
du denn? Ich bin’s doch, mit Lassie.“
Aber wieder kam keine Antwort, und er
ließ alle Hoffnung fahren.
Da aber zuckte er zusammen: Ein großer,
heller Gummiball flog vom Heuboden herunter und verfehlte ihn nur ganz knapp.
Lautes Kichern und Pom-Poms aufgeregtes Kläffen erklang von oben.
Schnell hatte Timmy heraus, woher das
Kichern kam. „He, wen wolltest du denn umbringen?“ schrie er zornig.
Über dem Rand des Heubodens zeigte sich
ein hübsches Gesichtchen, von blonden Locken umspielt.
„Wenn ich nur gewollt hätte, hätte ich
dich getroffen!“ rief Letty. „Ich kann nämlich sehr gut werfen!“ Schnippisch
rümpfte sie das Näschen.
„Ha!“ Timmy verzog das Gesicht. „Mädchen
können überhaupt nicht werfen!“
„Ich kann es aber!“ Nun schien sie
ernstlich böse zu werden. „Und ich kann auf einem Pony reiten — ätsch! Du aber
nicht!“
„Bestimmt könnte ich es, wenn ich es
nur versuchte!“ schrie Timmy aufgebracht zurück. Wütend stolzierte er zur Box,
in der das Pony war. Gleich beweise ich es dir!“
„Bleib ja von Taffy fern!“ kreischte
Letty. „Er beißt jeden Fremden, der nur in seine Nähe kommt.“
„Pah!“ höhnte Timmy. „Ponys beißen, gar
nicht, sie sind doch ganz zahm!“
Plötzlich hingen zwei kleine Beine vom
Heuboden herab, und dann rutschte die ganze Letty hastig die Leiter herab und
lief auf die Box zu.
„Rühr ihn nicht an!“ schrie sie. „Bleib
weg!“
DER STREIT
Ehe Letty jedoch dem aufgebrachten
Jungen den Weg verlegen konnte, war Timmy schon dreist auf das sanftäugige Pony
zugegangen, das den Kopf über die oberste Planke der Box streckte. Er hob die
Hand und
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