Das verbotene Tal
lächelte Paul tröstend. „In zwei Tagen ist der Brei trocken,
und dann läßt sich der Boden besonders gut bearbeiten.“
„Na, dann will ich mich beizeiten um
das Pferd und neuen Samen kümmern.“ Düster schaute Dave vor sich hin.
„Sagen Sie mal“, meinte Paul, als käme
ihm der Gedanke gerade in diesem Augenblick, „warum benutzen Sie nicht unsern
Traktor? Der macht Ihnen die Arbeit in der Hälfte der Zeit.“
„Hm, vielleicht — aber ich kann die
Miete nicht bezahlen.“ Und aufrichtig erläuterte er: „Ich bin nämlich ein
bißchen knapp bei Kasse.“
„Wer redet denn vom Mieten?“ lachte
Paul. „Wir haben nur noch ein Feld zu beackern, dann steht der Benzinfresser
bis zum Herbst nur herum! Da können Sie ihn doch lieber benutzen!“
Daves Augen leuchteten auf, aber gleich
schüttelte er den Kopf. „Vielen Dank! Aber Borgen ist nichts für mich!“
Paul schwieg eine Weile. Dann legte er
Dave die Hand auf die Schulter.
„Schade, daß Sie so denken, Dave! Wir
hier halten es für keine Schande, sich die Geräte vom Nachbarn zu borgen —
solange man sie gut behandelt. Und wenn jemand zu stolz ist, sich etwas zu
borgen, dann schließen wir daraus, daß er auch seinerseits niemandem, der Hilfe
nötig hat, etwas leihen würde!“
„Wenn ich etwas hätte, das ich Ihnen im
Tausch anbieten könnte, sähe alles ganz anders aus“, verteidigte sich Dave. „Aber
da bin ich eben übel dran.“
„Dave!“ Das war Metas Stimme. Sie klang
froh und munter, und als Dave sich überrascht umdrehte, da sah er, wie seine
Frau, die neben Ruth herbeieilte, buchstäblich strahlte. So glücklich hatte sie
noch nie ausgesehen, seit sie den Hof in Besitz genommen hatten. „Hör doch, was
wir uns ausgedacht haben!“
Auch Ruth lächelte froh. Sie schlang
den Arm um Timmys Schulter, der eben mit Lassie herbeigelaufen war. Den andern
Arm legte sie um Letty, und dann gingen sie, eifrig plaudernd, miteinander
weiter.
„Wenn wir den Traktor leihen“, erzählte
Meta glücklich, „leiht mir Frau Martin einen runden Ahorntisch, der zu unsern
Küchenstühlen paßt. Den können wir gerade unter das Küchenfenster stellen.“
Dave machte ein verblüfftes Gesicht,
und Paul lächelte.
„Die Jungen können ihn hinten auf unser
Auto binden!“ meinte Ruth. „Und zwar ganz fest — damit er nicht herunterfällt
und von dem Traktor, der gleich hinterherfährt, zu Brennholz gewalzt wird.“
„Das wäre noch schöner!“ schrie Meta in
gespieltem Entsetzen. „Sie sehen ja, wie wenig Möbelstücke wir haben!“
Dave und Paul schauten sich an, dann
zuckte Dave ergeben die Schultern. Die Frauen hatten also den Fall längst
entschieden, und er konnte nur noch eines: mitmachen!
„Sobald wir gesät haben, schicke ich
Timmy auf dem Fahrrad herüber!“ versprach Paul. „Vermutlich übermorgen.“
Auf dem Heimweg zog Paul seine Frau
damit auf, daß sie so schnell Freundschaft mit Meta Brunson geschlossen hätte.
„Wie hast du das nur fertiggebracht?“
grinste er. „Dave hat doch gesagt, sie sei so verschlossen und überhaupt nur
wegen Lettys Gesundheit ganz gegen ihren Wunsch hergekommen.“
„Ach, ich weiß selbst nicht, aber sie
gefiel mir sofort, und wenn man jemanden gern hat, dann spürt der das auch und
muß auch seinerseits freundlich sein. Bestimmt werden wir sehr gut miteinander
auskommen!“ Ruth lächelte zuversichtlich. „Die beiden Brunsons sind nette
Leute, und Letty ist ein ganz reizendes Kind.“ Sie drehte sich zu Timmy um, der
sich auf dem Rücksitz an Lassie schmiegte. „Hoffentlich habt ihr fein
miteinander gespielt...“ Plötzlich unterbrach sie sich erstaunt. „Aber wieso
ist denn dein Ärmel so zerfetzt?“
Timmy zögerte. Er wollte doch das Pony
nicht verpetzen, denn nun waren sie doch auf dem besten Wege, gute Freunde zu
werden. Und womöglich verbot ihm Mom sogar, auf dem Pony zu reiten. So meinte
er ausweichend: „Ich habe ihn mir im Stall zerrissen.“
Ruth seufzte: „An einem Nagel, wie? Na,
dann mußt du ihn eben geflickt tragen. Wenn du doch nur besser aufpaßtest!“
Timmy nickte eifrig. „Das verspreche
ich!“ Und erleichtert lehnte er sich zurück, denn Mom drehte sich wieder nach
vom und wandte sich an Paul. Lassie jedoch blickte ihn leise winselnd an.
Hastig flüsterte der Junge ihr ins Ohr:
„Still! Ich konnte es ihr doch ganz
bestimmt nicht sagen! Und richtig gelogen habe ich ja gar nicht!“
Am nächsten Tage pflügten Onkel Petrie
und Paul das Südfeld.
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