Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Handy abzustellen. Sie hat nämlich eine SMS nach der anderen bekommen.«
»Von wem?«
»Das weiß ich nicht. Sie hat nicht darauf geantwortet.«
Lotte verstummte.
»Und weiter?«, fragte Lund.
»Ich weiß noch, dass sie mich gebeten hat, mal kurz ihre Bestellungen zu übernehmen. Sie musste draußen mit jemandem reden. Ich war sauer. Sie hat mich immer wieder gebeten, für sie einzuspringen. Hat die Nase in meine Angelegenheiten gesteckt. Meine Kleider angezogen.«
Plötzlich aufflammender Ärger.
»Nanna war kein Engel. Ich weiß, ich sollte das nicht sagen …«
»Haben Sie den Mann gesehen, mit dem sie gesprochen hat?«
»Da war ein Auto. Ich bin ans Fenster und hab rausgeschaut. Ich wollte wissen, was da so wichtig war, dass ich Nannas Arbeit machen musste.«
»Was für ein Auto?«
»Ein Auto eben. Ich weiß nicht.«
»Limousine? Kombi? Farbe?«
»Ich weiß es nicht.«
»Haben Sie den Fahrer gesehen?«
»Nein.«
»Die Marke? Irgendetwas Charakteristisches? Irgendeine …«
Lunds Stimme machte sich selbständig, und sie konnte nichts dagegen tun. Lotte schüttelte den Kopf.
»Wirklich gar nichts?«, fragte Lund. »Sind Sie sich sicher?«
Sie dachte nach.
»Ich glaube, es war weiß.«
Rie Skovgaard las den Brief und sagte: »Das ging aber schnell.«
»Was ist das?«
Sie zeigte ihn Morten Weber. Eine amtliche Aufforderung des Rathauses, bis zum nächsten Morgen die Büros zu räumen.
»Das können die nicht machen.« Weber wedelte mit dem Schreiben. »Das können die nicht machen! Der Wählbarkeitsausschuss tagt doch erst heute Abend.«
»Verdammt nochmal, was erwartest du denn? Er sitzt im Gefängnis, als Mordverdächtiger.«
»Die Anwältin wird mit ihm reden. Wir finden einen Ausweg.«
Die Techniker in den weißen Anzügen klopften an die offene Tür, kamen herein, sahen sich um. Skovgaard ging nach nebenan in Hartmanns Büro. Weber folgte ihr.
»Kannst du nicht mit deinem Vater reden, Rie? Der hat doch Beziehungen.«
»Beziehungen?«
»Ja.«
»Sag mir, was passiert ist. Was hat Troels an dem Wochenende gemacht?«
»Ich weiß es nicht …«
»Lüg mich nicht an! Ich hab dich angerufen und dir gesagt, dass Troels verschwunden ist. Ich hatte keine Ahnung, wohin. Du hast gesagt, er ist auf Sauftour gegangen.«
»Rie …«
»Du hast dir keine Sorgen gemacht, weil du gewusst hast, wo er ist.«
»Es ist nicht …«
»Er hat’s dir gesagt. Mir konnte er’s nicht sagen. Kannst du dir vorstellen, wie das für mich ist?«
Er hatte keine Antwort parat.
»Was hat er gemacht?«, fragte Skovgaard erneut.
Weber seufzte, setzte sich, wirkte alt und müde.
»Troels ist mein ältester Freund.«
»Und was bin ich?«
»Ich hab ihm versprochen, kein Sterbenswörtchen zu sagen. Zu niemandem.«
»Was ist denn das große Geheimnis? Eine andere Frau? Müssen wir das alles durchmachen, nur weil er nicht den Mumm hat, mir zu sagen, dass er wieder rumvögelt?«
»Nein.« Weber schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.«
»Also seine Frau? Hat es was mit ihr zu tun?«
Er wich ihren wütenden Blicken aus.
»Antworte mir. Ich weiß, dass es ihr Hochzeitstag war. Was hat er gemacht?«
Weber zitterte und schwitzte. Er brauchte eine Insulinspritze. Brauchte einen Drink.
»Was hat er gemacht?«, fragte Rie Skovgaard noch einmal.
Lund erwartete Hartmann in demselben Besuchszimmer, in dem vor kurzem Theis Birk Larsen gesessen hatte. Er erschien in blauer Anstaltskleidung, musste seine Schuhe ausziehen, und der Wärter ließ ihn nicht aus den Augen. Sie saß da, die Hände auf den Jeans, der Wollpullover zu warm. Schwarz-weiß, ein Schneeflockenmuster.
Er hatte sich nicht rasiert. Wirkte gebrochen, nur noch ein Schatten des tatkräftigen, gutaussehenden Politikers. Es dauerte eine Weile, dann nahm sich Troels Hartmann endlich einen Stuhl. Lund sah ihn aus ihren glänzenden Augen an und sagte: »Ich brauche Ihre Hilfe, dringend. An dem Abend in der Wohnung … ist Ihnen da ein weißer Kombi aufgefallen?«
Hartmann sah sie schweigend an.
»Stand er im Hof, als Sie gegangen sind? Oder auf der Straße?«
Er schaute in die schwache Wintersonne hinaus. Lund wusste nicht, ob er überhaupt zuhörte.
»Fährt irgendjemand im Rathaus einen weißen Kombi?«
»Soviel ich weiß, bin ich hier drin, weil ich einen schwarzen Wagen habe. Warum nerven Sie mich dann mit diesem Unsinn?«
»Es ist wichtig.«
»Wenn Sie nach einem weißen Auto suchen, warum zum Teufel sitze ich dann im Gefängnis?«
»Das
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