Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Gitter steckte eine zusammengeknüllte Zeitung.
»Gas haben die Leute von der Spurensicherung nicht erwähnt«, sagte er. »Dabei stinkt die ganze Hütte danach. Wenn Nanna hier gewesen wäre, müsste es Spuren geben.«
Lund schüttelte den Kopf.
»Würdest du deinen Wagen in der Einfahrt stehen lassen, wo ihn jeder sieht?«
»Da stimmt was nicht«, sagte Meyer. »Ist mir scheißegal, was Brix denkt. Wir müssen den Fahrerflüchtigen finden.«
Sie ging hinaus und atmete tief durch. Der Wald erinnerte sie an den gar nicht so weit entfernten Pfingstwald.
»Was sagen wir Brix?«, fragte er.
»Der muss doch mit dem Richter reden. Da wollen wir nicht stören.«
Pernille Birk Larsen saß in der Küche, in ihrem beigen Mantel, hing ihren Gedanken nach und ließ das Telefon klingeln. Schließlich ging Lotte ran.
»Der Bestatter möchte dich sprechen, Pernille.«
Sie konnte den Blick nicht von den Dingen um sie herum lösen. Der Tisch, die Fotos, die Sachen an der Wand. Und durch die Tür Nannas Zimmer, wieder so, wie es gewesen war. Leer, aber intakt, wie eine Gedenkstätte.
»Sag ihm, ich bin unterwegs.« Sie ging zur Tür.
Unten arbeiteten wie immer die Männer. Vagn Skærbæk herrschte über Sackkarren und Gurte, Kisten und Kartons. Er folgte ihr zum Auto.
»Hast du was von Theis gehört?«
»Nein.«
»Also weißt du immer noch nicht, was zum Teufel …«
Er verstummte unter ihrem strafenden Blick.
»Der Büroauftrag, von Brøndby nach Enigheden. Kümmert sich da jemand drum?«
»Ich hab Franz und Rudi hingeschickt.«
Er hielt die Tür, während sie einstieg.
»Vielleicht solltest du ihn anrufen, Pernille.«
Sie legte die Hände aufs Lenkrad, sah ihn nicht an.
»Ich bin dir dankbar, dass du dich ums Geschäft kümmerst, Vagn. Aber halt dich da raus.«
Dieses melancholische, blasse Gesicht am Fenster. Die Silberkette. Die zu junge, beflissene, besorgte Miene.
»Ja. Verstehe. Ich seh zu, dass ich ihn finde. Wenn ihr beide …«
Ein Auto hielt hinter ihr. Pernille Birk Larsen ließ den Kopf aufs Lenkrad sinken. Es war Lund.
»Man hat mir gesagt, dass Ihre Schwester hier ist.«
»Was wollen Sie von ihr?«
»Ich möchte ihr ein paar Fragen stellen.«
Sie ging Richtung Garage und Wohnung.
»Wie sicher sind Sie sich, dass es Hartmann war?«
Lund antwortete nicht.
»Die Belohnung hat geholfen, stimmt’s?«
Ein Unterton von Verzweiflung, von Schuldbewusstsein in Pernilles Stimme.
»Ich kann nicht über den Fall reden«, sagte Lund. »Tut mir leid.«
Dann ging sie hinein. Lotte Holst machte die Wäsche. Sie wirkte genauso rebellisch und abweisend wie ihre Schwester.
»Ich hab Ihnen doch schon alles gesagt. Was gibt’s denn noch?«
»Sie sind die Einzige, die von Nannas Affäre wusste. Ich verstehe immer noch nicht …«
»Es war Hartmann, oder?«, fragte Lotte, während sie die Sachen der Jungs sortierte und in die Maschine stopfte.
»Was ist im Sommer passiert?«
Lotte arbeitete schweigend weiter.
»Ich habe die E-Mails auf der Datingseite des Nachtclubs gelesen«, sagte Lund und zog die Ausdrucke aus der Tasche.
»Ich arbeite da nicht mehr.«
»Die E-Mails sind seltsam. Er will sich immer noch mit ihr treffen, aber ihre Antworten werden immer weniger. Hat sie Ihnen gesagt, dass es aus war?«
Lotte zögerte.
»Nein. Aber er hat sie kaum noch interessiert. Das hab ich gemerkt. Vielleicht hatte sie einen anderen. Was weiß ich.«
Sie füllte Waschmittel ein, schloss die Tür und schaltete die Maschine an.
»Nanna war hoffnungslos romantisch. Wie es Teenager eben so sind. Nicht, dass sie sich als Teenager gefühlt hätte. Ich halte es für möglich, dass sie sich aus einer großen Liebe in die nächste gestürzt hat. Wahrscheinlich innerhalb einer Woche.«
»Hat Hartmann sich mit ihr in dem Nachtclub getroffen?«
»Ich hab ihn da nie gesehen.«
»Und das erste Wochenende im August, Lotte, was war da? Das ist wichtig.«
Sie ging wieder ins Wohnzimmer, ohne zu antworten.
»An dem Freitag«, fuhr Lund fort, »schreibt er, dass er am nächsten Tag verreist. Er will sie unbedingt sehen. Er ruft sie an. Aber …«
»Aber was?«
»Wir können keinen Anruf von Hartmann zurückverfolgen. Und er war an dem Wochenende nicht verreist.«
Lotte nahm ihre Tasche, holte ihren Terminkalender hervor, sah nach.
»Wir hatten an dem Tag eine VIP-Veranstaltung. Da gibt’s dicke Trinkgelder.«
»Und was war da?«
»An eine Sache erinnere ich mich noch. Ich musste Nanna bitten, den Ton von ihrem
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