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Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Titel: Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hewson , Soren Sveistrup
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Birk Larsen rauchte und trank und versuchte seine Gedanken zum Schweigen zu bringen, horchte auf die viel zu laute, kindische Popmusik aus dem Radio und das Geklacker der Billardkugeln auf den Tischen.
    Irgendwo verschwand eine Urne mit dem, was von Nanna übrig war, in der Erde. Nichts, was er sagen oder tun konnte, hätte daran etwas ändern können. Er hatte sie im Stich gelassen. Hatte sie alle im Stich gelassen. Er trank das Bier aus. Ihm war schwindlig. Er sah sich um. Früher war er in diesen Kneipen der King gewesen. Seine Stimme, seine Fäuste hatten das Regiment geführt. Ein anderer Theis. Ein anderer, härterer Mann. Hätte der sie retten können? War das die Lektion, die er lernen sollte? Dass ein Mann war, was er nun einmal war, auch wenn er sich noch so sehr bemühte, sich zu ändern, sich anzupassen, zu gehorchen, »gut« zu sein, was immer man darunter verstehen mochte. Auch der Lehrer, Kemal, hatte seine Wurzeln vergessen. Und teuer dafür bezahlt. Wenn er nur …
    Er kam schwankend auf die Füße, taumelte zum Ausgang, rempelte einen der jungen Kerle am Billardtisch an. Birk Larsen stieß ihn grob zur Seite, so wie er es früher gemacht hatte. Mit einem Fluch und einer Drohung. Stolperte weiter. Sah nicht das ausgestreckte Bein des jungen Kerls, der ihm nachgegangen war. Stürzte ächzend hin. Erinnerungen. So viele Kämpfe, und keinen hatte er verloren. Manche gingen so weit … Er wälzte sich in dem Dreck und den Zigarettenkippen auf dem Boden und hörte sie lachen. Rappelte sich stöhnend auf. Entriss dem, der ihm ein Bein gestellt hatte, das Queue und hielt es wie einen Degen. Wie den Vorschlaghammer, den er über dem schreienden, blutenden Ausländer in dem Depot geschwungen hatte, unter dem Gejammer von Vagn Skærbæk. Der Mann trug eine schwarze Jacke und eine schwarze Wollmütze. Und aus seinem Gesicht sprachen Angst und Trotz. Theis Birk Larsen kannte dieses Gesicht. Er hatte sein ganzes Leben damit gelebt.
    Deshalb fluchte er nur, warf das Queue auf den Tisch und stolperte hinaus, ohne zu wissen, wohin er sollte. Die Straßen, einst seine Heimat, waren ihm jetzt fremd. Unter einem Torbogen urinierte er. Er war kaum fertig, als sie zuschlugen. Zu fünft, Kapuzen über den Köpfen, mit fliegenden Fäusten. Ein Billardstock traf ihn mit voller Wucht am Kopf.
    »Halt ihn fest«, schrie einer, und zwei schwache Arme versuchten, ihn gegen die Mauer zu drücken, an die er uriniert hatte. Ein Stiefel traf ihn in die Weichteile.
    Kids. Er stieß zwei weg, packte den Dritten am Kragen, riss ihn mit sich über die schmale Straße und drückte das schmächtige Kerlchen an den bröckelnden Putz der Mauer. Die große Faust holte aus, bereit zum Zuschlagen. Ein einziger harter, gemeiner Schlag, und der Knabe würde diesen Tag nie mehr vergessen und den Rest seines ärmlichen Lebens unter den Folgen leiden. Doch dann hielt er ungläubig staunend inne. Die Kapuze war heruntergerutscht. Das Gesicht, das ihn so hasserfüllt anstarrte, gehörte einem Mädchen. Höchstens sechzehn. Ring in der Nase, Tattoos über den Augen. Ein Mädchen.
    Im selben Moment fielen alle mit solcher Wut über ihn her, dass er wusste, er war verloren. Stiefel und Hände und Knie. Das Queue und flinke Finger. Sie nahmen ihm die Brieftasche ab, die Schlüssel. Sie verfluchten ihn, bespuckten ihn, urinierten auf ihn. Birk Larsen tat, was er noch nie getan hatte: Er rollte sich zusammen wie ein Opfer und kauerte so am Boden. Eine Stellung, die er oft gesehen, aber nie selbst eingenommen hatte. Ein harter Schlag auf den Kopf, und es wurde dunkel um ihn. Dann eine Stimme, älter, ärgerlicher, laut.
    »Was machen Sie denn da? Was zum …«
    Er lag in der Gosse, betrunken, von Schmerzen gequält. Und die Rowdys waren weg. Eine blutende Hand legte sich an die Wand. Mühsam kam er auf die Beine. Eine Frau. Mittleren Alters. Mit einem Fahrrad.
    »Fehlt Ihnen was?«
    Den Kopf an der kalten Ziegelmauer, übergab sich Theis Birk Larsen. Erbrach Blut und Bier. Etwas von der Schwärze, die in ihm war.
    »Ich rufe die Polizei«, sagte die Frau.
    Er erbrach sich weiter. Legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie zog sich zurück, entwand sich seinem Griff.
    »Keine Polizei«, murmelte er und torkelte hustend dem Licht entgegen. Sie überließ ihn sich selbst. Wieder allein, merkte er, dass er nicht stehen konnte. Wie ein gefällter Baum sank Theis Birk Larsen langsam auf die Bruchsteine von Vesterbro, kniete, kippte um, ließ die Dunkelheit über

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