Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Fall vor Gericht geht«, sagte er. »Und da das nicht passieren wird …«
»Danke.«
»Danken Sie nicht mir.«
Hartmann schaute auf die Uhr.
»Keine Ursache«, fügte Brix lächelnd hinzu.
Wieder eine Taschenlampe. Diesmal die eines Polizeiarztes, der ihr in die Augen leuchtete. »Sie haben eine leichte Gehirnerschütterung. Gehen Sie nach Hause und ruhen Sie sich aus.«
»Es geht mir gut.« Lund zog vorsichtig ihren schwarz-weißen Pullover über, sah die Löcher, die man nicht mehr würde stopfen können. Sie würde einen neuen brauchen. Die Tür ging auf. Bengt kam herein. Den Arm in einer Schlinge. Er wirkte verstörter als nach seinem Autounfall.
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte der Arzt.
Bengt beachtete ihn nicht.
»Wenn die Wunde wieder aufplatzt, müssen wir nähen.«
Bengt nahm sie in die Arme. Lund schaute trotzdem in den Flur hinaus, sah Hartmann seinen grauen Mantel anziehen und zur Tür gehen. Der Arzt räusperte sich.
»Ich hab gesagt, ich bin noch nicht fertig.«
Lund löste sich sanft von Bengt. Sah noch einmal in den Flur hinaus.
»Und ich hab gesagt, mir geht’s gut.«
Doch Hartmann war nicht mehr zu sehen.
Morten Weber wartete draußen mit dem Wagen.
»Holck war’s. Er hat Sarah Lund gefangen genommen. Sie kann von Glück sagen, dass sie noch lebt.«
Hartmann betrachtete die Lichter der Stadt. Dachte weiter voraus.
»Woher weißt du das?«
»Von deiner Anwältin. Alle Beschuldigungen wurden fallengelassen. Sie sagt, du kannst die Beamten in Grund und Boden verklagen.«
»Ich verklage niemanden. Wo ist Rie?«
Schweigen.
»Es war zu spät, Troels. Sie haben schon abgestimmt. Du bist von der Wahl ausgeschlossen. Tut mir leid.«
»Das werden wir ja sehen. Wo ist sie?«
»Bremer hält eine Pressekonferenz ab.«
Hartmann schaute aus dem Fenster. Ein Winterabend. Jemand, den er gekannt hatte, nicht gemocht, aber gekannt hatte, war tot. Noch einer im Stadtrat, der die Menschen um ihn herum über sein Leben im Unklaren gelassen hatte. Troels Hartmann erkannte, dass er nicht allein war. Hatte keine Angst mehr. War befreit von den Dämonen, die ihn verfolgt hatten.
»Niemand wird je erfahren, was im Ferienhaus war«, sagte er.
»Du hast es der Polizei gesagt?«
»Niemand wird je davon erfahren. Wir sind wieder im Geschäft, Morten.«
»Troels!«
»Mir ist Unrecht geschehen!«, brüllte Hartmann. »Verstehst du das nicht?«
Weber schwieg.
»Ich bin das Opfer. Wie dieses Mädchen, Nanna Birk Larsen …«
»Nicht ganz«, sagte Morten. »Wenn du auf die Tränendrüsen drücken willst, sei vorsichtig.«
»Guter Ansatz.« Hartmann holte sein Handy hervor, überlegte, wen er zuerst anrufen sollte. »Das sollten wir ausbauen.«
Das Hotelzimmer war ein Schlachtfeld. Zerbrochene Spiegel. Billige Bilder auf dem Boden. Vagn Skærbæk sah Pernille auf dem Bett sitzen, halbnackt. Der betrunkene Norweger hatte Angst.
»Die hat total durchgedreht! Ich wusste nicht, wen ich anrufen soll. Die Nummer hab ich in ihrem Handy gefunden.«
Skærbæk hatte noch seine Arbeitskleidung an. Hände in den Taschen. Schwarze Mütze. Beugte sich zu ihr hinunter, sah ihr ins Gesicht.
»Pernille.«
Sie starrte ihn an, sagte nichts.
»War das okay?«, fragte der Norweger ängstlich. »Ich hab nichts gemacht. Es ist gar nichts passiert. Ich dachte, sie will es auch und …«
Er sah Skærbæk an. Von Mann zu Mann.
»Plötzlich ist sie ausgerastet. Ich wusste ja nicht, dass sie verheiratet ist. Ich dachte, sie wollte ein bisschen Gesellschaft …«
»Verpiss dich!«, schrie Skærbæk und schob ihn aus dem Zimmer.
Ging zu ihr zurück. Kniete sich neben das Bett.
»Pernille. Du ziehst dich jetzt besser an.«
Er stellte einen umgestürzten Stuhl auf. Nahm ihre Strumpfhose vom Bett. Sie rührte sich nicht.
»Herrgott nochmal!«
Er versuchte ihr die Strumpfhose überzustreifen. Gab auf.
»Wo sind deine Schuhe?«
Keine Antwort. Er sah sich um. Fand die schwarzen Stiefel.
»Ich hab versucht, dich zu erreichen. Die Polizei hat angerufen.«
Mit den Stiefeln kam er auch nicht weiter.
»Pernille! Ich kann dich doch nicht anziehen.«
Sie schwieg.
»Sie haben den Täter gefunden.«
Rührte sich nicht. Half ihm nicht. Wieder die Stiefel.
»Verstehst du, was ich sage? Sie haben ihn erwischt. Er ist tot.«
Ihr Gesicht vollkommen leer. Kein Wort.
»Er ist tot«, wiederholte Skærbæk.
Sie nahm die Stiefel, zog sie ganz langsam an. Vagn Skærbæk sah sich im Zimmer um. Tat, was er manchmal tun
Weitere Kostenlose Bücher