Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
ungefähr einem Jahr in Urlaub.«
Martin Frevert runzelte die Stirn, wirkte schuldbewusst.
»Er ist auch öfter nach Thailand geflogen. Wegen der Mädchen, glaub ich …«
»Ach, kommen Sie«, sagte Meyer. »Er hatte das Ticket. Er hatte Geld. Er hat seine Sachen gepackt. Alles verkauft. Und trotzdem seinem kleinen Bruder nicht gesagt, dass er auswandert?«
Frevert wurde wütend.
»Er hat mir nichts gesagt! Was soll ich Ihnen denn sagen? Warum sollte ich Sie anlügen?«
»Hatte er Freundinnen?«, fragte Lund.
»In letzter Zeit nicht. Er war mal verheiratet.«
»Kinder?«, fragte Meyer.
»Nein. Sie haben sich nicht verstanden.«
»Also Freunde?«
Martin Frevert sah auf die Uhr.
»Leon hat nicht viele Freunde. Wir haben ihn ab und zu zum Abendessen eingeladen. Aber im Grunde genommen …« Er zuckte die Schultern. »Worüber hätten wir reden sollen? Er ist Taxi gefahren. Und hat Kartons rumgeschleppt.«
Lund gab Svendsen den Auftrag, Frevert für eine formelle Aussage ins Präsidium zu bringen. Dann ging sie zu der Wand am Ende des Zimmers. Sie war vollgehängt mit Titelseiten von Zeitungen seit Beginn des Falles Nanna. Fotos von Hartmann. Von Jens Holck und Kemal. Vor allem aber Bilder von der lächelnden Nanna.
»Der Bruder hat nichts gewusst«, sagte Meyer. »Der Widerling hat alles für sich behalten.«
»Wir hatten ihn.« Lund starrte die Titelseiten an, die Filzschreiber-Umrandungen um jedes einzelne Foto von Nanna. »Wir hatten ihn und haben ihn laufenlassen.«
Sie ging hinaus und die Treppe hinunter zum Parkplatz. Blinkende Blaulichter. Überall Streifenwagen und zivile Polizeiautos. Die Spurensicherung war da. Svendsen stand rauchend an der Eisentreppe.
»Er hat das Taxi in der Nähe von Birk Larsens Wohnung abgestellt und ist dann in sein eigenes Auto umgestiegen«, sagte Svendsen. »Wir haben eine Fahndung rausgegeben. Sein Handy ist ausgeschaltet. Wir kriegen eine Ortung, sobald er es wieder einschaltet.«
»Warum wussten wir nicht, dass Frevert bei Birk Larsen arbeitet? Du hast ihn vernommen.«
Svendsen schaute sie an. »Was?«, fragte er.
»Du hast ihn vernommen. Warum haben wir das nicht gewusst?«
»Er war als Zeuge da. Nicht als Verdächtiger. Du hast uns nie gesagt, dass wir ihn durchleuchten sollen.«
»Lund …«, setzte Meyer an.
»Bist du ein Anwärter oder was, Svendsen?«, blaffte sie. »Muss ich dir deine Arbeit erklären?«
»Er war Zeuge!«, schrie der untersetzte Polizist sie an.
Meyer zog sich zurück. Lund drohte Svendsen mit dem Finger.
»Wenn wir gewusst hätten, dass er bei Birk Larsen arbeitet, würden wir jetzt nicht wie die Idioten dastehen. Sondern hätten Leon Frevert hinter Schloss und Riegel.«
»Gib nicht mir die Schuld an deinen Schnitzern.«
»Du«, sagte sie und wedelte vor seinem Ochsengesicht mit dem Finger, »bist ein fauler Hund. Und ich kann Faulheit nicht ausstehen.«
Sie ging zu ihrem Wagen zurück. Meyer machte hinter ihr beschwichtigende Geräusche.
»Wir haben rund um die Uhr geschuftet!«, schrie Svendsen. »Ich lass mir von der Tussi nicht nachsagen, dass ich faul bin! Damit du’s weißt!«
Lund setzte sich hinters Lenkrad.
»Die tun doch, was sie können«, sagte Meyer durchs Fenster. »Sei nicht so streng!«
»Findet Leon Frevert, dann geb ich ihnen vielleicht sogar ein Bier aus. Schickt eine Beschreibung von ihm an die Medien. Und bestellt Vagn Skærbæk nochmal zur Vernehmung.«
»Lund …«
Sie ließ den Motor an und fuhr langsam auf die Straße hinaus.
»Lund?«, wiederholte Meyer, der neben dem Wagen herlief. »Wofür zum Teufel brauchen wir Vagn nochmal?«
»Zur Gesellschaft«, erwiderte sie und gab Gas.
Morten Weber hörte mit mürrischem Gesicht die Radionachrichten. Er war müde. Einige Reporter und Fotografen hatten Hartmann vor dem Rathaus aufgelauert und folgten ihm die Treppe hinauf, bis Skovgaard sie zurückscheuchte. Weber drehte das Radio lauter, während Hartmann seinen Mantel auszog.
»Wie aus dem Polizeipräsidium zu hören war, ist der Mörder Nanna Birk Larsens noch immer nicht gefasst. Es gibt eine neue Theorie über die bevorstehende Wahl. Der Fall belastet nach wie vor Troels Hartmann, weil die Wohnung der Liberalen Partei bekanntlich mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht wird. Die Basis für Hartmanns Anzeige gegen den Oberbürgermeister bröckelt. Neue Zeugen haben ausgesagt, Bremer habe nicht an dem Gespräch teilgenommen …«
»Mach’s aus«, befahl Hartmann.
Im Büro lagen überall
Weitere Kostenlose Bücher