Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Dann hat er Nanna hier im Keller versteckt. Wenn wir nachsehen …«
»Sie können so viel wirres Zeug reden, wie Sie wollen«, mischte sich Bülow ein. »Aber bitte erst im Präsidium.«
Lund versuchte, sich Svendsens Armen zu entziehen.
»Skærbæk hat auf Meyer geschossen. Er hat nicht ›Sarah‹ gesagt, sondern ›Sarajevo ’84‹. Sehen Sie sich Skærbæks Jacke an. Scheiße!«
Svendsen hatte ihr brutal den Arm auf den Rücken gedreht.
»Erzählen Sie denen von dem fehlenden Foto, Brix. Erzählen Sie’s ihnen!«
Svendsen hatte sie in seiner Gewalt und schleifte sie zum Wagen.
»Skærbæk hat einen neuen Dielenboden eingezogen. Die Wände verkleidet. Sehen Sie sich das genau an! Und sehen Sie zu, dass Sie ihn erwischen, bevor er noch jemanden umbringt …«
Svendsen packte sie an ihren langen Haaren und zog sie zur Autotür. Stieß sie auf den Rücksitz. Dann stieg er vorn ein. Auf dem Beifahrersitz saß noch ein Mann. Die hinteren Türen wurden gesichert. Jansen kam aus dem Haus, ging auf Brix zu.
»Ist da unten irgendwas?«
»Bis jetzt seh ich noch nichts«, sagte der Techniker. »Aber das heißt nicht …«
»Sie ziehen hier ab«, ordnete Bülow an. »Ich schicke ein paar Leute her, die sollen den Schaden taxieren, den Lund angerichtet hat. Den werden wir auch ersetzen müssen.«
Er ging zu seinem Wagen.
»Moment mal!«
Der Giftzwerg von der Staatsanwaltschaft drehte sich wütend um.
»Vielleicht leiten Sie ja den Einsatz gegen Sarah Lund«, sagte Brix. »Aber der Mord ist immer noch mein Fall.«
»Ihr Fall ist aufgeklärt. Sehen Sie zu, dass Sie möglichst bald diese Verrückte loswerden.«
Er ging weiter.
»Holen Sie die Spurensicherung her«, sagte Brix zu Jansen. »Alle verfügbaren Leute. Ich will, dass der Keller untersucht wird.«
Bülow drehte sich um, schüttelte den Kopf.
»Wir ziehen hier ab, wenn ich es sage«, beharrte Brix.
»Wird erledigt«, sagte Jansen und griff nach seinem Handy.
Ein Geburtstagslied. »So spielen wir die Trompeten.« Alle stellten sich um den runden Tisch und taten so, als spielten sie Blasinstrumente.
Partyhüte. Geschenke. Kuchen. Kerzen und kleine dänische Flaggen. Anstoßen mit Wein und Orangensaft. Vagn Skærbæk in seinen Sonntagssachen. Lächelte wie ein stolzer Onkel, strahlte die Jungs an. Pernille musterte ihn. Er wirkte manchmal so jung, obwohl er jetzt Tränensäcke hatte, die ihr früher nicht groß aufgefallen waren. Und vielleicht hatte er auch angefangen, seine ersten grauen Strähnen zu färben.
Vagn gehörte schon so lange zu ihnen, dass sie gar nicht mehr wusste, wie es angefangen hatte. Mit Theis. Alles hatte mit ihm angefangen. Mit dem hektischen Rausch, in dem sie mit Nanna schwanger gewesen war, in dem sie beide durchgebrannt waren und geheiratet hatten. In dem sie ihn überredet hatte, seine Gelegenheitsarbeiten aufzugeben und sesshaft zu werden. Eine eigene Firma zu gründen. Die schmächtige, unsichere, manchmal furchtsame Gestalt Vagns war im Hintergrund immer präsent gewesen. Immer bereit zu helfen. Ein freundliches Wort zu sagen. Das Leben anderer über sein eigenes zu stellen. Jetzt sah sie zu, wie er die Jungen anschaute, und spürte mit jeder Sekunde deutlicher, dass etwas, was bisher so stimmig, so natürlich erschienen war, auf fatale Weise falsch war. Nicht aus irgendeinem Grund, den sie durchschaut hätte. Nicht aufgrund einer einzelnen Tatsache, sondern mehr wegen einer Reihe von Umständen und Ahnungen, die sich nicht oder noch nicht zu einem geschlossenen Ganzen zusammenfügen wollten.
»Die Jungs sind einfach prachtvoll«, sagte Vagn und lächelte auf die ungezwungene, aufrichtige Art, die Pernille immer für selbstverständlich gehalten hatte. Vielleicht sah er sich selbst in ihnen. Oder den Jungen, der er gern gewesen wäre.
»Das Essen war wirklich köstlich.«
»Freut mich, Vagn«, sagte sie leise.
Und wollte fragen: warum?
Setzte gerade dazu an, doch da stand Theis auf, räusperte sich und verkündete, er wolle ein paar Worte sagen. Gab es für sie noch andere? Sie liebte diesen Mann, doch sie wusste, dass er in mancher Hinsicht sich selbst genauso rätselhaft war wie ihr.
»Zuallererst«, sagte Theis Birk Larsen mit einer Stimme, die gekünstelt ernst klang, obwohl ihm das vielleicht nicht bewusst war. »Zuallererst möchte ich Anton alles Gute zum Geburtstag wünschen. Ich hoffe, es war ein schöner Tag für ihn. Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass …«
Der Mann ihm gegenüber legte
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