Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Bündnis oder nicht?«
Keine Antwort.
Der politische Ressortchef einer der Tageszeitungen fasste nach.
»Umwirbt Bremer Kirsten Eller auch?«
Ein Blitzlicht flammte auf. Halt dich ans Skript, sagte Rie Skovgaard.
»Ja.« Plötzlich Stille im Saal, aller Augen ruhten auf ihm. »Ich persönlich finde allerdings, dass er ein bisschen zu alt für sie ist. Also …«
Schallendes Gelächter.
Ein Balanceakt, der aber zu seinen Gunsten verlaufen war. Die Journalisten konnten Bremer genauso wenig ausstehen wie er. Zumindest sagten sie das, wenn sie einen sitzen hatten. Troels Hartmann zog sich in sein Büro eine Tür weiter zurück. Dort bemutterte ihn Rie Skovgaard. Rückte seine Krawatte zurecht, sein Jackett. Wirkte kleinmädchenhaft und erfreut. Ein kurzer Rüffel dafür, dass er am Schluss vom Skript abgewichen war. Aber es hatte funktioniert. Also war sie zufrieden.
»Lass gut sein.« Er entzog sich ihren Händen.
»Troels, du hast heute eine ganze Reihe von Besprechungen. Dann einen Schulbesuch. Das Fernsehen wird da sein. Die wollen ein Interview.«
Er zog sich ans Fenster zurück wie ein trotziges Kind. Sie spielte dasselbe Spiel. Schmollte routiniert. Sie war ebenfalls beim Friseur gewesen. Ihr schwarzes Haar makellos. Ein enganliegendes Kleid betonte ihre schlanke Figur.
Weber kam Papiere schwenkend hereingestürmt. Der Entwurf für die Bündnisrede. Er wollte sie mit Eller abstimmen.
»Das lesen wir im Auto …«
»Nimm doch lieber Morten mit«, sagte Skovgaard. »Dann könnt ihr alles besprechen. Die einzelnen Punkte durchgehen.«
Weber schüttelte den Kopf.
»Da ist nichts Neues dabei. Du brauchst mich nicht. Ich hab hier zu tun …«
»Ich halte so lange die Stellung«, beharrte sie. »Ab mit euch.« Sie wedelte mit der Hand. »Los!« Ein Lächeln. »Und redet.«
Hin und wieder spielten sie Schach miteinander. Meistens gewann er. Weil sie ihn gewinnen ließ? Das fragte er sich manchmal. Fragte sich auch, warum er dieses seltsame, kindische Spiel mitmachte.
»Ab mit euch, Jungs!«, rief Rie Skovgaard wie eine tadelnde Mutter, schwenkte ihre schmalen Hände, stellte ihre Ringe zur Schau.
»Am Samstagabend«, sagte Meyer, »hat Jeppe Hald Schandorff mehrmals angerufen.«
»Und die Frau, mit der Oliver zusammen war?«
»Eine Geschiedene, auf ein bisschen Spaß aus. Er sei schlecht drauf gewesen, hat sie gesagt, irgendwie deprimiert.«
Lund sah ihn missmutig an.
»Ist das alles?«
»Nein.«
Wieder dieser gereizte Unterton. Ihr Rauchverbot im Büro nervte ihn.
»Die Fingerabdrücke im Heizungskeller?«
»Die halbe Schule war da unten.«
»Und die DNA?«
»Noch nicht da.«
Sie schaute durch die Glastür zu den Vernehmungszimmern auf der anderen Seite des Gangs hinüber. Oliver Schandorff, zerzaust in einem grünen Polohemd, den Kopf auf der Tischplatte.
»Ich will mit da rein«, sagte Meyer. »Wir sollen ja beide an dem Fall arbeiten.«
Das stimmte.
»Meinetwegen. Aber die Fragen stelle ich.«
Er sprang auf. Verbeugte sich und schlug die Hacken zusammen. Kaum waren sie durch die Tür, zeigte Schandorff auf Meyer.
»Mit dem rede ich nicht.«
»Brauchst du auch nicht«, sagte Lund. »Du redest mit mir.« Pause. »Guten Morgen, Oliver. Wie geht’s dir?«
»Beschissen.«
Sie hielt ihm die Hand hin. Der Junge nahm sie. Dann gab ihr auch der kahlköpfige Anwalt, den sie schon gesehen hatten, die Hand. Lund nahm neben den beiden Platz. Meyer setzte sich auf einen Hocker am Fenster.
»Wir wollen dir nur ein paar Fragen stellen«, sagte Lund. »Dann kannst du nach Hause.« Keine Reaktion. »Nanna hat ihren Eltern gesagt, sie würde bei Lisa übernachten. War sie mit dir verabredet?«
»Nein. Hab ich doch schon gesagt.«
»Weißt du, mit wem sie sich getroffen hat?«
»Nein.«
Lund nahm aus ihrer Mappe einige Fotos von den exotischen Lederstiefeln aus Nannas Kleiderschrank.
»Hast du ihr die geschenkt?«
Er sah sie an, als hätte er sie noch nie gesehen.
»Nein.«
Meyer lehnte sich zurück und gähnte ausgiebig. Lund ignorierte ihn.
»Warum warst du so wütend, dass du einen Stuhl geworfen hast?«
Der kahlköpfige Anwalt sagte mit einem strahlenden Lächeln: »Mein Mandant macht von seinem Recht Gebrauch, die Frage nicht zu beantworten.«
Lund beachtete ihn nicht.
»Ich will dir helfen, Oliver. Sag uns die Wahrheit, und du kannst gehen. Verschanz dich hinter dem Mann da, und ich garantiere dir …«
»Sie hat gesagt, sie hat einen andern!«
»Das reicht«, sagte der Anwalt.
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