Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
ging Meyer zu ihr und küsste sie auf den Mund.
»Was zum Teufel machst du hier?«
Sie zeigte auf die Bananen und die Tabletten.
»Die hast du im Auto liegenlassen.«
»Oh …«
Meyer zuckte die Schultern.
Sie strich ihm über die unrasierte Wange und sagte: »Mach’s gut. Einen schönen Tag euch beiden.«
Er sah ihr nach, ließ sie nicht aus den Augen, lächelnd, verzaubert.
Als sie verschwunden war, sanken seine Mundwinkel herab, und seine Miene wurde wieder todernst.
Er nahm Lund das Obst und die Tabletten ab und steckte sich eine Banane in jede Tasche, als wären es Pistolen. Zog eine wieder heraus, zielte den Flur hinunter, und sagte: »Peng!«
»Erstaunlich«, sagte Lund.
»Was?«
»Nichts. Gehen wir.«
Das Wahlkampfteam bei der Morgenbesprechung. Acht Leute, unter Rie Skovgaards Leitung. Den Fall Birk Larsen hob Hartmann bis zum Schluss auf.
»Die Presse könnte etwas in die Hand bekommen«, endete er. »Aber das wären nur Spekulationen. Wir schicken Lund die Personalakten. Das sollte uns jetzt aber nicht von der Arbeit abhalten. Wir haben Wichtigeres zu tun.«
»Moment, Moment.« Skovgaard bedeutete den anderen, noch sitzen zu bleiben. »Die glauben, der Täter ist ein Lehrer von der Schule, sagst du?«
Hartmann packte seine Unterlagen in seine Aktentasche.
»Das ist eine von mehreren Theorien.«
»Du weißt, was das bedeutet, Troels? Wir sind wieder in der Geschichte drin. Die Presse wird dich auf jeden Fall reinziehen.«
»Es ist Sache der Polizei …«
»Du bist Schulsenator. Wenn es ein Lehrer ist, machen sie dich verantwortlich.«
Sie gab nie auf. Würde nie aufgeben. Er setzte sich wieder, sah sie an und fragte: »Was schlägst du vor?«
»Dass wir ihnen zuvorkommen! Wir müssen uns diese Personalakten ansehen, bevor Lund sie bekommt. Sichergehen, dass wir nichts falsch gemacht haben.«
»Was sollten wir denn falsch gemacht haben?«
»Ich weiß nicht. Ich will nur keine Überraschungen erleben. Außerdem … einmal angenommen, wir würden Informationen weitergeben, die dazu beitragen, den Täter zu finden. Damit würden wir Ehre einlegen, statt beschuldigt zu werden.«
Hartmann starrte sie an.
»Troels«, fuhr sie fort, »wenn die Alternative heißt, Stimmen zu verlieren oder Stimmen zu gewinnen, dann ist das doch gar keine Alternative.«
»Gut. Dann mach das.«
Als die anderen gingen, gab sie Hartmann den Tagesplan und ging ihn Zeile für Zeile, Minute für Minute mit ihm durch. Der letzte Punkt war ein Fototermin zum Thema soziale Integration. Eingliederung von Ausländergruppen in die Gesellschaft. Integrationsvorbilder, jene Migranten, die Hartmanns Team als Aushängeschild für die Initiative ausgewählt hatte.
»Gehen wir danach essen?«, fragte sie.
»Klar«, antwortete er, ohne zu überlegen.
»Du kannst dir Zeit nehmen für mich?«
»Klar.«
»Troels!«
»Ja?«
Er hatte kaum noch für irgendetwas Zeit. Er nahm sie in die Arme, freute sich, als ihre Miene sich aufhellte. Wollte sie küssen, da klopfte es. Einer der Rathausangestellten. Ein junger Mann. Er schien verlegen, weil er so hereingeplatzt war.
»Sie haben Akten angefordert? Von den Schulen?«, fragte er.
»Kümmere du dich darum«, sagte Hartmann und ging.
Skovgaard ließ den Mann Platz nehmen und sagte ihm, welche Unterlagen sie brauchten. Personalakten des Gymnasiums Frederiksholm. Arbeitsverträge. Beurteilungen. Beschwerden.
Er hörte schweigend zu.
»Ist das ein Problem?«
»Brauchen Sie die Sachen in offizieller Funktion? Nicht zu … politischen Zwecken? Tut mir leid. Ich muss das fragen.«
»Nein«, sagte Rie Skovgaard. »Das müssen Sie nicht.«
»Aber …«
»Hartmann braucht sie. Hartmann ist Schulsenator. Also …«
Er rührte sich noch immer nicht.
»Wie ist Ihr Name?«
»Olav Christensen.«
»Ist das ein Problem, Olav? Wenn ja, dann sagen Sie’s. Sie haben die Umfragewerte gesehen, ja? Sie wissen, dass der nächste Oberbürgermeister Troels Hartmann heißt?«
Ein dünnes, sarkastisches Lächeln.
»Um Politik kümmere ich mich nicht, das ist nicht mein Job.«
»Nein. Ihr Job ist es, zu tun, was man Ihnen sagt. Also machen Sie schon, sonst such ich mir jemand anderen.«
In einem kleinen Nebenraum der Bibliothek, umgeben von Englisch-, Physik- und Kunstbüchern, sprachen Lund und Meyer nacheinander mit allen Lehrkräften. Über Nanna, über Lisa Rasmussen, Oliver Schandorff und Jeppe Hald. Vor allem aber über sie selbst. Was sie am Wochenende gemacht hätten, eine Frage,
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