Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Titel: Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hewson , Soren Sveistrup
Vom Netzwerk:
die Meyer stellte, während Lund zuschaute, nachdachte, zuhörte. Auf Ungereimtheiten achtete.
    Er aß eine Banane. Trank zwei Flaschen Wasser, rauchte ununterbrochen. Konsumierte zwei Packungen Käseflips, entgegen ihren Anweisungen. Sah sie zwischendurch an, während die endlose Prozession der Lehrer an ihnen vorüberzog. Sagte nicht viel. Brauchte nicht viel zu sagen. Es fand sich nichts bei diesen normalen, anständigen, engagierten Leuten. Es waren Lehrer. Sonst nichts. So schien es zumindest.
    Pernille Birk Larsen saß in der kalten Küche, die Hände auf dem Tisch, den Nanna und sie gebaut hatten. Starrte auf Nannas Tür, die Nummern, die Pfeile. Wusste, dass es sein musste. Hörte ihn unten mit den Männern reden. Eine tiefe, schroff klingende Stimme. Der Boss.
    Ging in Nannas Zimmer. So vieles fehlte jetzt. Nannas Bücher und Tagebücher. Die Fotos und Notizzettel von der Kork-Pinnwand. Es stank nach Chemikalien, so stark, dass der schwindende Blumenduft nicht mehr wahrzunehmen war. Die Wände waren fleckig von den Stiften, den Pinseln, der Kreide.
    Sie versuchte angestrengt, an das Davor zu denken. Ihre Tochter in diesem Raum, so voller Leben und Energie. Pernille setzte sich aufs Bett, dachte nach. Es musste sein. Es musste sein . Sie ging zu dem schmalen Kleiderschrank, schaute hinein. Nannas Geruch war noch da. Ein Parfüm, dezent und exotisch. Raffinierter, als Pernille es in Erinnerung hatte. Dieser quälende Gedanke, der sie verfolgte … Du hast sie gar nicht richtig gekannt .
    »Doch«, sagte sie laut. »Ich kenne sie.«
    Am Morgen hatte die Rechtsmedizin angerufen. Die Leiche sollte freigegeben werden. Ein Gottesdienst musste sein. Ein Begräbnis. Die letzte Szene im langen, düsteren Ritual eines gewaltsamen, vorzeitigen Todes.
    In Nannas Zimmer, eingehüllt in die Düfte des Schranks, versuchte sich Pernille zu erinnern, wann sie zum letzten Mal Kleider für Nanna ausgesucht hatte. Schon mit sieben oder acht hatte Nanna ihre Wahl selbst getroffen. So aufgeweckt, so hübsch, so selbstbewusst … Später war sie dann im Haus herumgegangen und hatte sich genommen, was ihr gefiel. Sachen aus Pernilles Schubladen. Sachen von Lotte, wenn sie bei ihnen übernachtete.
    Nichts hatte Nanna eingeengt. Sie war ein eigenständiger Mensch gewesen. Schon von dem Moment an, als sie sprechen konnte. Und nun musste eine Mutter das letzte Kleid auswählen, das ihr Kind tragen würde. Ein Kleid für den Sarg. Ein Gewand für Feuer und Asche. Ihre Finger tasteten über die dünnen Stoffe. Über Blumenmuster und Shirts, über Shiftkleider und Jeans. Verharrten auf einem langen weißen Kleid, Seersucker, indisch, braune Knöpfe vorn. Billig erstanden im Sommerschlussverkauf. Niemand hatte es mehr haben wollen vor dem kalten Winter. Niemand außer Nanna, die diese hellen Sachen bei jedem Wetter trug. Die keine Kälte spürte. Nie viel weinte. Sich nie beklagte. Nanna …
    Pernille drückte den weichen Stoff an ihr Gesicht. Betrachtete den geblümten Hänger daneben. Wünschte, sie müsste alles auf der Welt ertragen, nur nicht dies.
    Theis Birk Larsen saß mit der Maklerin im Büro, vor sich Zahlen und Baupläne. Der Name Humleby erschien ihm jetzt wie ein Fluch. Ein düsterer, grausamer Scherz, den sich das Leben lange aufgehoben hatte.
    »Sie laufen Gefahr, richtig viel Geld zu verlieren«, sagte die Frau. »Der Schimmel. Der Allgemeinzustand …«
    »Wie viel?«
    »Das kann ich Ihnen nicht genau sagen.«
    Pernille kam herunter, die Augen weit geöffnet, das kastanienbraune Haar ungekämmt, das Gesicht leer, bleich, elend. In ihren Händen zwei Kleider: ein weißes, ein geblümtes.
    »Eine halbe Million vielleicht«, sagte die Maklerin. »Oder Sie renovieren weiter. Das braucht zwar Zeit, aber dann könnten Sie …«
    Er schaute durch die Glastür. Hörte nicht mehr zu.
    Die Frau unterbrach sich. Sah Pernille. Stand verlegen auf. Gab die Laute von sich, die sie inzwischen kannten. Hastige Worte, gestammelte Beileidsbekundungen. Dann flüchtete sie aus dem Büro. Pernille sah ihr nach, sah, wie ihr Mann eine Zigarette aus der Packung auf dem Schreibtisch nahm, sie mit sorgenvoller Miene anzündete.
    »Gibt es ein Problem, Theis?«
    »Nein. Es ist nur wegen des Hausverkaufs. Alles unter Kontrolle.«
    Er kramte in den Papieren. Sie zeigte ihm die Kleider.
    »Ich kann mich nicht entscheiden.«
    Sie hielt erst das weiße hoch, dann das geblümte, als wäre es der Auftakt zu einem Abend außer Haus. Einem der

Weitere Kostenlose Bücher