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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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zweiten Zimmer zurückgeblieben waren, und rief:
    Â»Besorgt mir doch mal eine Spitzhacke.«
    Er kehrte zu dem Friedensrichter zurück.
    Â»Ganz gewiß hat man die Asche erst vor kurzem umgerührt«, murmelte er vor sich hin, »und wenn man sie umgerührt hat...«
    Schon war er wieder auf den Knien, hob den Kaminrost an und kehrte die Asche beiseite. Dann nahm er einen Holzspan zur Hand und fuhr damit die Rillen der Steine entlang; an einer Fuge drang der Span mühelos ein.
    Â»Sehen Sie, Herr Friedensrichter«, sagte er, »nicht verputzt, und der Stein ist beweglich; das Versteck muß hier sein.« Man brachte ihm die Spitzhacke, er hebelte den Stein mühelos heraus. Vor ihnen lag ein ziemlich tiefes Loch.
    Â»Ha!« rief er triumphierend. »Wußte ich es doch!«
    Das Loch war voller goldener Zwanzigfrancstücke. Man zählte nach und kam auf neunzehntausendfünfhundert Francs. Auf dem Gesicht des Friedensrichters lag ein schmerzlicher Ausdruck. Soviel ist also das Leben meines armen Sauvresy wert gewesen, dachte er.
    Zugleich mit den Goldmünzen hatte der Beamte der Sûreté ein mit lauter Zahlen bedecktes Papier aus dem Versteck geholt. Das war so etwas wie das Grundbuch des Heilpraktikers. Auf der linken Seite tauchte die Summe von vierzigtausend Francs auf. Rechts standen mehrere Ziffern, die sich insgesamt auf einundzwanzigtausendfünfhundert Francs beliefen. Das mußte der Preis für all seine Erwerbungen sein, daran bestand kein Zweifel. Madame Sauvresy hatte demnach für das blaue Kristallfläschchen Robelot vierzigtausend Francs bezahlt.
    Vater Plantat und der Detektiv hatten gefunden, was sie suchten. Sie legten das Gold aus dem Versteck in den Sekretär und versiegelten ihn. Zwei Männer sollten zur Bewachung zurückbleiben.
    Doch Monsieur Lecoq war noch nicht restlos zufriedengestellt. Was hatte es eigentlich mit dem vom Friedensrichter verlesenen Manuskript auf sich? Einen Augenblick hatte er geglaubt, es sei schlichtweg eine Kopie der ihm von Sauvresy anvertrauten Beschuldigung. Aber das konnte nicht sein; Sauvresy hatte nicht selbst den letzten Akt seiner Agonie aufschreiben können.
    Dieser bisher ungeklärt gebliebene Punkt beschäftigte den Mann von der Präfektur über alle Maßen und dämpfte die Freude, die er empfand, diese schwierige Untersuchung zu einem guten Ende gebracht zu haben. Einmal wollte er noch versuchen, Vater Plantat die Wahrheit zu entlocken. Er legte ihm deshalb vertraulich die Hand um die Schultern, zog ihn zur Fensternische und fragte mit seiner unschuldigsten Stimme:
    Â»Pardon, Herr Friedensrichter, wollen wir uns nicht wieder auf den Weg zu Ihnen machen?«
    Â»Wozu, wenn Doktor Gendron vom Bürgermeister weggeht, wird er gleich hierher kommen.«
    Â»Es ist nur..., ich denke, wir brauchen das Dossier, das Sie uns vergangene Nacht vorgelesen haben, um es Monsieur Domini zu übergeben.«
    Falls der Detektiv erwartet haben sollte, daß sein Gegenüber bei dieser Bitte aufbrausen würde, so sah er sich getäuscht. Vater Plantat lächelte ihn wehmütig an.
    Â»Sie sind überaus beschlagen, mein lieber Lecoq«, sagte er, »aber ich bin es auch, um mir bei einer Sache, deren größten Teil Sie ja genial erraten haben, das letzte Wort vorzubehalten.«
    Monsieur Lecoq mußte unter seinem rotblonden Backenbart sicher noch röter geworden sein. »Glauben Sie mir...«, stotterte er.
    Â»Ich glaube gern«, unterbrach ihn Vater Plantat, »daß Sie mehr als begierig darauf sind, die Quelle meiner Informationen kennenzulernen. Sie haben ein zu gutes Gedächtnis, um sich nicht daran erinnern zu können, daß ich Ihnen gestern abend, als ich mit der Lektüre begann, klar und deutlich gesagt habe, daß dies nur für Ihre Ohren bestimmt sei und ich es nur getan habe, um die Untersuchung zu erleichtern. Soll ich dem Untersuchungsrichter etwa diese rein persönlichen Aufzeichnungen übergeben, die keinerlei juristische Beweiskraft hätten?«
    Er überlegte einige Sekunden, als suche er nach den passenden Worten, um Lecoq seine Absicht zu verdeutlichen. »Ich habe zuviel Vertrauen zu Ihnen, Monsieur Lecoq«, fuhr er fort, »ich schätze Sie zu sehr, als daß ich annehmen könnte, Sie würden über das Manuskript zu irgend jemanden auch nur ein Wort verlieren. Sie haben Beweise, die das, was ich Ihnen vorgelesen habe,

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