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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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untermauern. Sie haben den Leichnam Robelots und die beträchtliche in seinem Besitz befindliche Summe. Wenn Monsieur Domini noch zögert, Ihnen zu glauben, so wissen Sie, daß sich der Doktor stark machen wird, um das Gift nachzuweisen, mit dem Sauvresy ermordet wurde.«
    Der Beweis, daß Monsieur Lecoq wirklich ein außergewöhnlicher Mensch war, bestand darin, daß es ihm nicht mißfiel, in Vater Plantat einen ebenbürtigen Partner gefunden zu haben. Gewiß war er in allen kriminalistischen Belangen Vater Plantat überlegen, aber er mußte neidlos zugeben, daß es diesem alternden ländlichen Friedensrichter nicht an praktischem Sinn und auch Leidenschaft mangelte, und schon mehrmals seit dem vergangenen Tag hatte er vor dessen Weitsicht den Hut gezogen. Und so ergriff er nach diesen Worten die Hand seines verbündeten geistigen Rivalen und sagte nur: »Sie können sich auf mich verlassen, Herr Richter.«
    In diesem Augenblick erschien Doktor Gendron auf der Türschwelle. »Courtois«, rief er, »geht es besser, er heult Rotz und Wasser wie ein Kind, er hat es verkraftet!«
    Â»Dem Himmel sei Dank«, erwiderte der Friedensrichter. »Und da Sie hier sind, lassen Sie uns aufbrechen. Monsieur Domini erwartet uns seit heute morgen und wird schon vor Ungeduld halb verrückt sein.«
    * * *
    W enn er von Ungeduld des Untersuchungsrichters sprach, so hatte Vater Plantat gewiß noch untertrieben. Monsieur Domini war nicht nur halb, er war fast völlig verrückt und verstand nicht, weshalb seine Mitarbeiter von gestern, der Friedensrichter, der Arzt und der Beamte der Sûreté, noch nicht erschienen waren. Seit dem Morgen saß er in seinem Arbeitszimmer im Justizpalast, mit seiner Robe bekleidet, und zählte die Minuten.
    Die Überlegungen, die er nachtsüber angestellt hatte, waren weit davon entfernt, ihn wegen des Verbrechens zweifeln zu lassen, sie hatten ihn in seiner Überzeugung eher noch bestärkt. Je weiter er vom Tatort und der Tatzeit entfernt war, desto einfacher, natürlicher, problemloser kam ihm alles vor.
    Die Überzeugung, daß seine Meinung jedoch nicht die der anderen Untersuchungsbeamten war, störte ihn und ließ ihn in einem Zustand nervöser Unsicherheit den Untersuchungsbericht erwarten. Aus Besorgnis, nicht anwesend zu sein, falls Monsieur Lecoq einträfe, ließ er sich sogar sein Frühstück aufs Zimmer bringen.
    Ein unnützes Unterfangen. Der Zeiger rückte auf dem hübschen blaugemusterten Zifferblatt der Uhr vor, ohne daß jemand erschien.
    Er hatte noch einmal, um die Zeit totzuschlagen, Guespin und das Tönnchen verhört; doch diese neuerlichen Verhöre hatten nichts gebracht. Der eine der Verdächtigen schwörte Stein und Bein, daß er nichts weiter wisse als das, was er bereits gesagt habe, und der andere schwieg beharrlich. Das einzige, was er zu sagen bereit war, wiederholte er dann gleich mehrmals: »Ich weiß, daß ich verloren bin, machen Sie mit mir, was Sie wollen.«
    Monsieur Domini war gerade im Begriff, einen Gendarmen zu Pferde nach Orcival zu schicken, um sich zu erkundigen, was diese unerklärliche Verzögerung hervorgerufen habe, als ihm der Türhüter diejenigen meldete, auf die er wartete.
    Schnell gab er Anweisung, sie hereinzuführen, und seine Neugier war so groß, daß er trotz seiner Würde um den Schreibtisch eilte und ihnen entgegenging.
    Â»Sie sind ziemlich spät dran!« sagte er ärgerlich.
    Â»Und dennoch haben wir keine Minute verloren, wir haben die Nacht nicht einmal geschlafen«, erwiderte der Friedensrichter.
    Â»Es gibt also etwas Neues?« fragte er. »Hat man die Leiche des Comte de Trémorel gefunden?«
    Â»Es gibt Neues, Monsieur«, antwortete Monsieur Lecoq, »und zwar sehr viel. Aber die Leiche des Comte hat man nicht gefunden, und ich möchte behaupten, man wird sie auch nicht finden; aus dem einfachen Grunde, weil er nicht getötet wurde; er ist nicht etwa ein Opfer, wie wir einen Moment geglaubt haben, sondern er ist der Mörder.«
    Bei dieser Erklärung, die der Mann der Polizei knapp und deutlich geäußert hatte, sprang der Untersuchungsrichter aus seinem Stuhl auf. »Aber das ist ja Wahnsinn!« rief er aus.
    Monsieur Lecoq erlaubte sich nie, in Anwesenheit eines höheren Vorgesetzten zu lächeln.
    Â»Ich denke nicht«, erwiderte er frostig. »Ich bin sogar

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