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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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kein Zweifel mehr«, murmelte Lecoq. Er schwieg. Zwischen zwei Gendarmen trat Guespin herein.
    Der unglückliche Gärtner war in vierundzwanzig Stunden um zwanzig Jahre gealtert. Er blickte verstört um sich. »Nun, sind Sie zur Einsicht gekommen?« fragte ihn der Untersuchungsrichter.
    Der Verdächtige antwortete nicht.
    Â»Sind Sie bereit zu reden?«
    Â»Reden?« echote Guespin wütend. »Wozu denn reden!« Und mit der verzweifelten Geste eines Mannes, der sich in sein Schicksal schickt, der nicht mehr kämpfen will und auch jede Hoffnung aufgegeben hat, schrie er:
    Â»Was habe ich denn getan, mein Gott, daß Sie mich so quälen! Was soll ich Ihnen denn sagen? Daß ich sie erschlagen habe? Wollen Sie das? Na gut, ich war's! Sind Sie jetzt zufrieden? Machen Sie mich schon einen Kopf kürzer, aber machen Sie schnell, ich kann es nicht länger ertragen.«
    Ein düsteres Staunen war die Reaktion auf Guespins Erklärung. Wie denn, er gestand? Monsieur Domini hatte wenigstens soviel gesunden Menschenverstand, nicht zu triumphieren, er blieb unbeweglich, und dennoch überraschte gerade ihn dieses Geständnis am meisten.
    Allein Monsieur Lecoq war, obwohl überrascht, nicht aus dem Konzept gebracht. Er ging auf Guespin zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    Â»Na na, mein Lieber«, sagte er in väterlichem Ton zu ihm, »was du uns da erzählst, ist lächerlich. Glaubst du, der Herr Untersuchungsrichter hätte irgendeinen geheimen Grund, dich zu ärgern? Nein, nicht wahr. Meinst du, ich hätte Interesse an deinem Tod? Nicht doch. Ein Verbrechen wurde begangen, und wir suchen den Schuldigen. Wenn du unschuldig bist, dann hilf uns denjenigen zu finden, der es nicht ist. Was hast du von Mittwoch bis Donnerstag früh gemacht?«
    Guespin schwieg starrsinnig.
    Â»Ich habe gesagt, was zu sagen war.«
    Monsieur Lecoq, eben noch wohlwollend, wurde nunmehr streng.
    Â»Dann schweig dich doch zu Tode, Dummkopf!« brüllte er ihn an. »Wir wissen ja eh längst alles! Dein Herr hat dir am Mittwochabend etwas aufgetragen, nicht wahr? Was hat er dir gegeben? Einen Tausendfrancschein?«
    Der Verdächtige glotzte Lecoq verwirrt an.
    Â»Nein, nein...«, stammelte er, »es war ein Fünfhundertfrancschein.«
    Wie alle begnadeten Künstler im Augenblick ihres großen Auftritts war auch der Beamte der Sûreté erregt. Sein detektivischer Scharfblick hatte ihm soeben diese kühne Kombination eingegeben. Wenn sie gelang, hatte er die Partie gewonnen.
    Â»Und nun sage mir den Namen der Frau«, bemühte er sich, ihn zu überreden.
    Â»Ich weiß ihn nicht.«
    Â»Bist du wirklich so dumm? Sie ist klein, nicht wahr? Recht hübsch, dunkelhaarig, große Augen.«
    Â»Sie kennen Sie?« fragte Guespin mit zitternder Stimme.
    Â»Ja, mein Lieber, und wenn du ihren Namen willst, damit du ihn in deinen Gebeten erwähnen kannst, sie heißt Jenny Fancy.«
    Guespins Zorn war grenzenloser Verblüffung gewichen. Er fragte sich, und auf seiner Stirn konnte man sehr gut verfolgen, wie angestrengt er nachdachte, er fragte sich also, wie dieser Mann über etwas informiert war, von dem er annahm, daß es niemand wissen konnte.
    Â»Da ich dir jetzt den Namen der Frau genannt habe, so erkläre mir doch, wann und weshalb dir der Comte einen Schein von fünfhundert Francs gegeben hat?« fragte er ihn.
    Â»Das war, als ich losgehen wollte. Monsieur le Comte hatte kein kleines Geld, und er wollte mich nicht nach Orcival schicken, um es zu wechseln, ich sollte den Rest wieder mit zurückbringen.«
    Â»Und warum bist du nicht zu deinen Kameraden zu den Batignolles gegangen?«
    Keine Antwort.
    Â»Welchen Auftrag hatte dir der Comte gegeben?«
    Guespin zögerte. Seine Augen wanderten von einem Zuhörer zum anderen; vom Untersuchungsrichter zu Vater Plantat, vom Doktor zu dem Polizisten aus Corbeil, und auf allen Gesichtern schien er so etwas wie Schadenfreude zu entdecken. Ihm kam mit einemmal der Gedanke, daß sich alle diese Leute nur über ihn lustig machten, daß man ihm eine Falle gestellt hatte, in die er getappt war. Er glaubte, seine Antworten würden seine Lage eher noch verschlimmern. Und augenblicklich packte ihn wieder wilde Verzweiflung. »Ha!« schrie er und wandte sich Monsieur Lecoq zu. »Sie haben mich getäuscht, Sie wußten ja gar nichts, Sie haben etwas Falsches behauptet, um

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