Das Verbrechen von Orcival
Hunde, seine Mätressen. Edle Rennpferde vermehrten sein Vermögen, und eine distinguierte Narrheit schien seinen Wert eher noch zu erhöhen â wie Dinge, auf denen das Markenzeichen der Rothschilds prangt.
Doch denken Sie nicht, daà der junge Mann von Geburt an schlecht war. Er hatte Herz und edle Gedanken gehabt, früher, mit Zwanzig. Sechs Jahre Glück hatten ihn bis auf die Knochen verdorben. Bis zur Verrücktheit eitel, war er zu jedem Unsinn bereit, wenn der nur seiner Lust diente. Er besaà den ungezügelten und boshaften Egoismus von Leuten, die nur mit sich selbst beschäftigt sind und nie Leid gekannt haben. Seinen brutalen Zynismus hielt er für Geist und sein Leugnen jedweder Moral, seine Prinzipienlosigkeit und seinen idiotischen Skeptizismus für Charakter. Und dabei war er schwach. Er hatte Launen, aber keinen Willen.
Sein Leben kann man in den Gazetten der Zeit nachlesen, die nicht versäumten, jede seiner Kapricen wiederzugeben.
Eines Nachts soupiert er im Café de Paris und wirft anschlieÃend das ganze Geschirr zum Fenster hinaus. Das kostet ihn tausend Louis. Bravo! Am nächsten Tag treibt er es betrunken mit einem liederlichen Frauenzimmer in der Proszeniumsloge, man muà einen Polizeikommissar rufen. SchlieÃlich lebt man nicht zuzeiten der Regentschaft. Eines Morgens erfährt Klatsch-Paris überrascht, daà er mit der Frau von Bankier X nach Italien durchgebrannt ist. Er duelliert sich und verwundet seinen Gegner. Welch ein Mut! In der darauffolgenden Woche wird er selbst durch einen Degenstich verletzt. Was für ein Held! Einmal sprengt er in Baden-Baden die Bank. Ein andermal verliert er nach sechzigstündigem ununterbrochenem Spiel hundertzwanzigtausend Francs an einen russischen Fürsten.
Er gehört zu den Wesen, die der Erfolg berauscht, die Beifall um jeden Preis suchen, ohne sich zu sorgen, wer ihnen diesen Beifall spendet. Comte Hector war berauscht durch das Gerede, das über ihn im Umlauf war. Unaufhörlich seinen Namen in der Monde parisien lesen zu können, schien ihm der Inbegriff von Ruhm und Ehre zu sein. Wobei er natürlich in vollendeter Koketterie dazu bemerkte:
»Wird man denn nie aufhören, sich mit mir zu beschäftigen?«
Und bei wirklich groÃen Gelegenheiten verabsäumte er nicht, ein Wort von Ludwig XV. von sich zu geben: »Nach mir die Sintflut.«
Die Sintflut kam zu seinen Lebzeiten.
An einem Aprilmorgen weckte ihn sein Kammerdiener mit den Worten: »Monsieur, der Gerichtsvollzieher steht drauÃen.«
Der Comte hatte Gelegenheit gehabt, sich in den letzten Tagen Klarheit über seine finanzielle Situation zu verschaffen. Er wuÃte, er war ruiniert. Er hatte es geschafft, etwa vier Millionen durchzubringen.
»Sag ihm, er soll schon mit den Ställen anfangen!« rief er seinem Kammerdiener zu.
Er öffnete seinen Schreibsekretär. Dort lagen noch zehntausend und ein paar Francs. Mit dieser Summe konnte er eine Reise unternehmen, sein Leben um zwei bis drei Monate verlängern, aber voller Schrecken verwarf er diesen Gedanken, der seines noblen Charakters unwürdig war. Er dachte im Gegenteil daran, daà diese zehn Tausendfrancscheine ihm erlaubten, ein groÃzügiges Geschenk zu machen, von dem man noch lange reden würde. Er sagte sich, es wäre höchst ritterlich, mit seiner Geliebten zu frühstücken und ihr als Dessert diese Summe zu schenken. Während des Frühstücks würde er übersprühen vor Witz und Charme, um ihr dann seinen Selbstmord anzukündigen. Das Mädchen würde nicht versäumen, überall den Vorfall zu erzählen; sie würde seine letzten Worte wiederholen â sein politisches Testament â, und bereits am selben Abend würde man in Cafés von nichts anderem mehr reden, in allen Zeitungen würde es stehen.
Während also der Gerichtsvollzieher pfändete, was zu pfänden war, ging der Comte de Trémorel den Boulevard entlang und begab sich, zum Selbstmord entschlossen, zu seiner Mätresse, die neben der Madeleine in einer kleinen Wohnung zu sechstausend Francs lebte. Diese Mätresse hatte Hector acht oder zehn Monate zuvor unter dem Namen Mill Jenny Fancy in die Halbwelt eingeführt. In Wirklichkeit hieà sie Pélagie Taponnet und war, ohne daà der Comte davon wuÃte, die Stiefschwester seines Kammerdieners.
Von dem Comte de Trémorel protegiert, hatte Mià Fancy in
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