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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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durchsucht hatte, stieß er ihn in die Kammer.
    Robelot widersetzte sich nicht, doch verlangte er zu trinken und eine Kerze. Man brachte ihm eine Karaffe mit Wasser und ein Glas.
    Â»Was die Kerze angeht«, sagte Monsieur Lecoq zu ihm, »vergiß es. Du wirst uns keinen Streich mehr spielen!« Die Tür zur Kammer wurde geschlossen. Vater Plantat reichte dem Mann der Sûreté die Hand.
    Â»Monsieur Lecoq«, sagte er zu ihm mit bewegter Stimme, »Sie haben mir soeben das Leben gerettet und dabei Ihres aufs Spiel gesetzt; ich danke Ihnen nicht, aber ich hoffe, daß es mir einmal möglich sein wird...«
    Der Detektiv unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Sie wissen ja«, sagte er, »wieviel meine Haut wert ist, einmal mehr sein Leben riskieren ist nicht das Problem und kein Verdienst...« Er überlegte ein paar Sekunden und fuhr dann fort: »Sie werden mir später danken, Monsieur, wenn ich Anrecht auf Ihren Dank haben werde.«
    Â»Lassen Sie mich Ihnen meine ganze Bewunderung sagen«, sagte auch Doktor Gendron und schüttelte dem Detektiv die Hand. »Ich hatte keine Vorstellung von dem, was ein Mann Ihrer Fähigkeiten vermag. Heute morgen sind Sie ohne Kenntnisse, ohne Details zu wissen hier angekommen und haben allein durch die Untersuchung des Schauplatzes, allein durch Logik den Schuldigen gefunden.«
    Monsieur Lecoq verbeugte sich bescheiden. Aber natürlich erfreute ihn das Loblied, das man ihm sang.
    Â»Dennoch«, gab er zu bedenken, »bin ich noch nicht restlos zufriedengestellt. Gewiß, die Schuld Monsieur de Trémorels scheint mir eindeutig erwiesen. Aber welches Motiv hatte er schließlich? Was hat ihn zu der entsetzlichen Konsequenz geführt, seine Frau zu töten und glauben zu machen, auch er sei getötet worden?«
    Â»Könnte er nicht«, meinte Doktor Gendron, »Madame de Trémorels überdrüssig gewesen sein, weil er sich bis zur Raserei in eine andere Frau verliebt hat?«
    Monsieur Lecoq schüttelte den Kopf.
    Â»Man tötet seine Frau nicht, weil man sie nicht mehr liebt und eine andere anbetet«, sagte er. »Man verläßt seine Frau und lebt mit der Geliebten zusammen. Das passiert jeden Tag, und weder das Gesetz noch die öffentliche Meinung verdammen ernsthaft einen Mann, der solches tut«
    Â»Aber«, wandte der Arzt ein, »wenn nun diese Frau ein Vermögen besitzt...?«
    Â»Das ist hier nicht der Fall«, erwiderte der Polizeibeamte, »ich habe mich informiert. Monsieur de Trémorel besaß von seiner Seite hunderttausend Ecus, die Reste eines einstmals riesigen, von Sauvresy geretteten Vermögens, und in ihrem Ehekontrakt überschrieb ihm seine Frau mehr als eine halbe Million Francs. Mit achthunderttausend Francs kann man überall leben, wie es einem gefällt. Im übrigen war der Comte berechtigt, das gemeinsame Vermögen geschäftlich zu nutzen. Er konnte nach Belieben verkaufen, kaufen, investieren, verleihen, anlegen und wieder abziehen.« Die folgenden Worte sagte er ein wenig zögernd, wobei er Vater Plantat fragend ansah. »Ich spüre, daß man die Gründe für den heutigen Mord und das Motiv für den schrecklichen Entschluß des Mörders in der Vergangenheit suchen muß. Offensichtlich waren der Comte und die Comtesse durch ein Verbrechen so aneinander gebunden, daß nur der Tod des einen dem anderen die Freiheit wiedergeben konnte. Dieses Verbrechen habe ich von Anbeginn vermutet, und der Mann, den wir soeben dingfest gemacht haben. Robelot, der den Friedensrichter ermorden wollte, war entweder der Täter oder Komplize dieses Verbrechens.«
    Doktor Gendron hatte den diversen Szenen, die tagsüber auf Schloß Valfeuillu und am Abend bei dem Bürgermeister stattgefunden und ein stillschweigendes Einverständnis zwischen Vater Plantat und dem Mann der Präfektur enthüllt hatten, nicht beigewohnt. Er bedurfte seines ganzen Weitblicks, um die versteckten Andeutungen der Unterhaltung, die er seit zwei Stunden mit anhörte, zu verstehen. Die letzten Worte des Detektivs waren deshalb für ihn wie der Lichtstrahl, der die Dunkelheit erhellt.
    Â»Sauvresy...!« rief er aus.
    Â»Ja«, erwiderte Monsieur Lecoq, »jawohl, Sauvresy! Und dieses Papier, das der Mörder so verzweifelt suchte, dieser Brief, für den er sogar seine Rettung aufs Spiel setzte, mußte den unwiderlegbaren Beweis für dieses

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