Das verdrehte Leben der Amélie
verpflichtet bin. Wenn ich könnte, würde ich mich umgehend nach Tombuktu verschiffen lassen!
To do: Auf Google Earth nachschauen, wo Tombuktu liegt (und ob es wirklich so geschrieben wird).
19:30
Kat ruft seit einer halben Stunde immer wieder an und täuscht fürchterliche Hustenanfälle vor. Dann prustet sie los und ich lege auf. Das letzte Mal habe ich ihr gedroht, wenn sie nicht aufhört, würde ich Ham sagen, dass sie ihn toll findet. Kat entgegnete unter erneutem Prusten: »Wie willst du das denn machen, wenn du dein Zimmer nie wieder verlässt?«
Haha. Sehr lustig.
20:00
Zusammenfassung meines Lebens: Ich wurde geboren. Vierzehn Jahre später verlor ich die Fähigkeit, normal zu sprechen. Das ist eigentlich alles.
Eine andere mehr oder weniger plausible Erklärung: Ich verwandele mich gerade in eine Außerirdische.
Montag, 10. Oktober
I ch bin eine Außerirdische! Und mein Planet wächst auf meinem Kinn! Ein Pickel in der Größe Saturns (zum Glück ohne die Ringe – puh!).
Ich frage meine Mutter, ob sie irgendeinen Trick kennt, wie ich den Pickel verschwinden lassen kann. Ihr Rat: »Schmier bloß nichts darauf, das macht es nur noch schlimmer.«
Meine Mutter hat echt keine Ahnung vom Leben einer Vierzehnjährigen! Noch schlimmer ist nur, mit dem Pickel in die Schule zu gehen. Alle werden mich anstarren und Kat wird sagen, obwohl sie meine beste Freundin ist: »Du hättest den Pickel abdecken sollen!« Was ja nur logisch ist. Wenn man einen Pickel hat, versteckt man ihn unter Make-up, so einfach ist das.
Ich habe meiner Mutter also eine richtige Szene gemacht(das war vielleicht etwas übertrieben), und sie hat mir schließlich ihr Make-up gegeben. Dummerweise ist es nach zehn Minuten getrocknet, und zurück blieb der große rote Pickel mit einem kleinen Klecks Make-up oben drauf. Sehr hässlich.
8:25
Sobald ich Kat sehe, sagt sie: »Du hättest den Pickel abdecken sollen.«
Oh, Mann!
10:25
Mathe.
Ich habe ziemliche Schwierigkeiten, den Worten unserer Lehrerin zu folgen. Kat schickt mir ununterbrochen kleine Zettelchen mit Kommentaren zu Ham. Irgendwann sieht das Madame Gagnon natürlich und fängt die Nachricht ab. Ich sage mir, dass das nicht weiter schlimm ist, da es ja die ganze Zeit sowieso nur um Ham geht. Madame Gagnon liest Kats Zettel der ganzen Klasse laut vor:
» Amélie, Ham ist echt total süß«, (alles o.k. so weit) » du musst mir unbedingt helfen, ihn wiederzusehen! Komm mit ins Jugendzentrum.« (Wie erwartet, es geht nur um Ham.) » Vielleicht siehst du ja auch deinen Pseudo-Ryan-Sheckler wieder.« (Oh, Scheiße!) »Du kannst mir erzählen, was du willst, ich weiß, dass du auf ihn stehst! Und das mit deinem Pickel ist nicht so schlimm, den sieht man fast gar nicht ... Jedenfalls nicht so schlimm, wie beim »Hi«-Sagen zu ersti cken oder eine Freundin zu haben, die einen Tampon als Flöte ausgibt!«
Ich verspüre starke Übelkeit und sage:
»Haha. Das ist Geheimsprache.« (Oh Mann! Haha. Das ist Geheimsprache! )
Ich fühle mich, als würde mein Gesicht in Flammen stehen und langsam auf den Tisch tropfen. (Ja, echt ekelhaft, so Das-Schweigen-der-Lämmer -mäßig.)
16:00
Kat und ich sind zu Monsieur Beaulieu ins Büro geschickt worden. Er hat uns zwei Minuten lang schweigend und mit ratloser Miene angesehen. Dann hat er erklärt, dass wir uns im Matheunterricht keine Botschaften zuschicken dürfen. Wenn das noch einmal vorkommen sollte, würden uns fünf Punkte von der nächsten Mathearbeit abgezogen.
Ich finde diese Strafe ja wenig mathematisch und total unlogisch. Wenn Kat und ich uns in aller Stille Nachrichten schicken und trotzdem eine gute Mathearbeit schreiben, dann heißt das doch, dass unsere Gehirne Multitaskingfähig sind. Das macht uns zu hochbegabten Schülerinnen, und diese sollten doch eigentlich gefördert werden! Eine Klassenarbeit sollte unsere intellektuelle Leistung widerspiegeln und nicht unsere Fähigkeit, in der Stunde keine Nachrichten zu schreiben. Außerdem ist Kommunikation in unserer Gesellschaft sehr wichtig, spielt aber auf dem Lehrplan keine große Rolle. Das istzumindest meine Meinung. Als ich versucht habe, sie Monsieur Beaulieu auseinanderzusetzen, hat er mich angesehen, als wäre ich durchsichtig. (Ich denke, wenn man jemanden ansieht, der durchsichtig ist, ist man etwas überrascht, und genau so sah er aus.) Jedenfalls hielt er es für ratsam, nichts auf meine letzte Äußerung zu erwidern.
16:10
Monsieur Beaulieu: »Amélie
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