Das verflixte 4. Schuljahr
Anforderungen also noch. Wie soll man nun einem bayerischen Kind erklären, dass seine Leistungen zwar den Anforderungen entsprechen, es jedoch trotzdem nicht auf das Gymnasium gehen kann, weil in diesem Bundesland ein Schnitt von 2,33 aus den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht (HSU) erbracht werden muss?
Die regelmäßigen Klassenarbeiten (in Bayern Probe genannt), die bereits spätestens ab der 3. Klasse auf der Tagesordnung stehen, sollen nur zu 40 Prozent aus Reproduktion des aus dem Unterricht bekannten Stoffes bestehen. Dies bedeutet, dass maximal eine ausreichende Leistung erzielt werden kann, wenn das Kind den Inhalt des Unterrichts verstanden hat. Hinzu kommen Transferaufgaben, in denen Elemente des Unterrichts auf ein neues, bisher unbehandeltes Thema angewandt werden müssen. Klingt prinzipiell vernünftig, denn nur Auswendiglernen (also Reproduzieren) bringt einen im Leben (vor allem in Zeiten des Internets, in denen alles im Bruchteil einer Sekunde nachgeschlagen werden kann) nur bedingt weiter. Das Problem hieran ist aber, dass es eine Reihe von Kindern gibt, deren Eltern aus dem Internet und anderen Quellen »tonnenweise« Aufgaben herunterziehen, mit denen sie ihr Kind auf die Prüfung vorbereiten möchten. Das heißt, eine eigentlich für die Klasse als Transferaufgabe gedachte Übung kann für das eine oder andere Kind lediglich eine Reproduktionsaufgabe sein, weil es sie oder eine ähnlich geartete bereits mit Mama, Papa, Nachhilfelehrer oder Coach erarbeitet, besprochen und geübt hat.
Durchschnittliche Noten als Vorgabe
Eine Orientierung im Notendschungel zu finden ist nicht einfach. Alle Noten sind relativ und geben allenfalls einen Überblick, wo das Kind in seiner Klasse steht. In einer anderen Lerngruppe kann das Ergebnis ein ganz anderes sein, da stets versucht wird, die gaußsche Normalverteilung zu erreichen.
Dies bedeutet, dass es bei Tests, Klassenarbeiten und in der Oberstufe auch bei Klausuren in der Regel einige gute bis sehr gute Arbeiten gibt und einige unter dem Schnitt. Der größte Teil aller Arbeiten hat aber in der Mitte zu liegen. Kommt es häufiger vor, dass bei einem Lehrer in einer Klasse ein wesentlich anderes Ergebnis erreicht wird, ruft dies nicht selten die Eltern (vor allem, wenn zu viele »schlechte« Noten verteilt wurden) oder gar den Schulleiter auf den Plan.
Ein weiteres Problem, das damit zusammenhängt, ist die Tatsache, dass der Erwartung nach auch alle Notenstufen gegeben werden. Na ja, eine Sechs kommt vielleicht nicht in jeder Arbeit vor, aber wer niemals eine Fünf gibt, ist eben kein guter Lehrer. Paradox? Richtig!
Um eine gute Leistung zu erbringen, genügt es wie dargelegt also nicht, das Gelernte aus dem Unterricht zu beherrschen. Dies allein wäre maximal eine ausreichende Leistung, die in einigen Bundesländern weder für das Gymnasium noch für die Realschule qualifiziert. Vielmehr müssen die Schülerinnen und Schüler nachfolgenden Anforderungsstufen des Deutschen Bildungsrates genügen:
Stufe I
Wiedergabe gedächtnismäßig verankerter Sachverhalte
Stufe II
Selbstständige Verarbeitung von gelerntem Stoff, Vergleiche
Stufe III
Übertragung (Transfer) von Grundprinzipien des Gelernten auf neue, wenn auch ähnliche Aufgaben
Stufe IV
Lösung von Aufgaben mit relativ neuen Strukturen in kreativer Weise
Probearbeiten sollen die Anforderungen aller Kompetenzstufen erfüllen. Hieraus resultieren dann angepasste Definitionen der erreichbaren Noten:
Notenstufe
Kriterien
Note 1
Besonders positive Leistungen auf allen vier Anforderungsstufen
Note 2
Sichere Leistungen auf allen vier Anforderungsstufen
Note 3
Leistung entspricht im Allgemeinen den Erwartungen, insbesondere liegen keine Fehler in den Anforderungsstufen I und II vor
Note 4
Leistung entspricht den Anforderungen, allerdings sind Fehler enthalten
Note 5
Erhebliche Schwierigkeiten in den Grundkenntnissen, die voraussichtlich bald behoben werden können
Note 6
Grundkenntnisse sind so lückenhaft, dass sie nicht rasch behoben werden können
Die hier dargestellte Differenzierung ist ein generelles Problem der Leistungsmessung an allen Schulen. Dies gilt in ähnlicher Form auch für unsere Nachbarn in Österreich, die nur fünf Abstufungen kennen (1 bis 5), und in der Schweiz mit wiederum sechs Noten, wobei dort die Eins (der »Nagel«) die schlechteste und die Sechs die beste Note ist.
Unterschiede in der Notengebung
Vorteile bei Klassenarbeiten und beim
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