Das verfluchte Koenigreich
versammelt waren. Ein paar schrien auf und wichen zurück, als könnten sie es nicht ertragen, dem toten Kind so nahe zu sein. Einige weinten leise, andere starrten mit leeren Blick vor sich hin.
Jemand betrat das Zelt. Tania blickte auf – es war Graf Valentyne. Er ging zu den Frauen und blickte auf das Kind hinab. Seine Augen waren halb geschlossen, als er dem Baby die Hand auf die Stirn legte.
Einen Augenblick herrschte Stille, bis der Graf seine Hand zurückzog. »Er wird nicht wieder erwachen«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Nur dunkle Mächte sind zu so etwas fähig.« Seine Augen funkelten zornig. »Vielleicht sprach Lady Lamia von jenseits des Meeres abermals einen Fluch über uns?«
Tania starrte ihn erschrocken an. Lamia war die Königin von Lyonesse. Es war kaum einen Monat her, dass Tania, gestärkt von der Macht ihrer Elfeneltern, den Zauberkönig vernichtet hatte. Alle hatten geglaubt, dass die Hexenkönigin allein nichts ausrichten könnte – aber vielleicht war sie doch noch stark genug, um dem Elfenreich zu schaden?
Ein Raunen lief durch die Menge, denn Graf Valentyne sprach aus, was alle befürchteten.
Draußen vor dem Zelt verkündete jemand: »Wenn die Hexenkönigin etwas damit zu schaffen hat, so werden wir uns bitter rächen.« Es war Oberon und die Menge wich zurück, um ihn durchzulassen.
Tania blickte zu ihrem Elfenvater auf. Wer, wenn nicht Oberon, besaß die Macht, alles wieder in Ordnung zu bringen? Er war jetzt ihre einzige Hoffnung.
Der König ging auf Mallory zu, woraufhin die verzweifelte Mutter das Kind aus Hopies Schoß hob und es ihm hinhielt.
»Euer Gnaden«, schluchzte Mallory. »Habt Erbarmen, gebt mir mein Kind zurück!«
»Nein, Mylady, selbst ich kann keine Toten zum Leben erwecken«, erwiderte Oberon leise. Er blickte einen Augenblick auf das tote Kind und sein Gesicht war starr vor Zorn. Mit donnernder Stimme verkündete er: »So etwas hat es in diesem Land seit der Großen Erweckung nicht mehr gegeben: dass ein Elfenkind sterben musste!« Er drehte sich zu Graf Valentyne um. »Wir müssen ergründen, ob Lyonesse hinter dieser Untat steckt. Kommt, Mylord – ich bedarf Eurer Künste.«
Damit fegte Oberon aus dem Zelt, Graf Valentyne folgte ihm.
Mallory schluchzte nun hemmungslos. Hopie zog die junge Mutter und ihren Sohn an sich und wiegte sie in den Armen.
Titania wandte sich an die bestürzte Menge: »Lasst uns allein«, sagte sie. »Hier könnt ihr nichts mehr tun. Sorgt dafür, dass die Festlichkeiten beendet werden. Sollten die Musikanten weiterspielen, so möge es ein nimmer endendes Klagelied sein, denn was hier geschehen ist, hat die Welt seit zehntausend Jahren nicht mehr gesehen. Und nun geht!«
»Ich werde mein Kind nicht an diesem verfluchten Ort lassen«, rief eine Frau. Sie stürzte zu einem Bettchen in der Nähe, nahm ihr Baby, drückte es an die Brust und lief hinaus. Auch die meisten anderen Frauen rissen ihre Kinder an sich und liefen hinaus, begleitet vom Geschrei der verstörten Babys. Das Zelt leerte sich rasch und bald waren nur noch wenige Leute übrig.
Mary Palmer legte ihre Hand auf Titanias Arm. »Das Baby hatte Fieber«, sagte sie. »Ich hätte mehr darauf achten sollen – aber es ging so schnell.« Sie blickte die Königin an und Tania erkannte, wie vertraut ihre beiden Mütter miteinander umgingen. »Ist das wirklich noch niemals zuvor passiert?«
»Nein, nie«, versicherte Titania.
Eine der Ammen stürzte vor und warf sich vor der Königin auf die Knie. »Rettet uns, Euer Gnaden«, rief sie verängstigt. »Lasst nicht zu, dass unsere Kinder sterben!«
»Steh auf, Alma«, sagte die Königin und zog sie auf die Füße. Zu den anderen Ammen gewandt, fügte sie mit ruhiger Stimme hinzu: »Geht jetzt und erfüllt eure Pflicht. Nicht alle Babys wurden von ihren Müttern mitgenommen – seht nach, ob eure Schützlinge gesund und munter sind.«
»Aber was sind die Anzeichen der Krankheit, Euer Gnaden?«, fragte eine der Ammen.
Titania schwieg, als wüsste sie nicht, was sie sagen sollte. Tania wartete einen Augenblick, dann antwortete sie für die Königin.
»Achtet auf gerötete Wangen«, sagte sie. »Legt eure Hände flach auf die Stirn der Kinder. Wenn sie sich heiß anfühlen, lasst es uns wissen.«
Die Ammen wandten sich ab, huschten von Bettchen zu Bettchen, beugten sich tief über die schlafenden Kinder und ließen ihre Hände sanft auf den Köpfen ruhen.
Tania rief eine von ihnen zurück. »Wir müssen verhindern,
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