Das verfluchte Koenigreich
dass die Türen zur Welt der Sterblichen morgen bei Tagesanbruch geschlossen werden. Ich habe also nur noch ein paar Stunden Zeit.«
»So ist es«, bestätigte Eden. »Aber du musst heimlich gehen, Tania, und ich möchte nicht, dass du allein in die Welt der Sterblichen reist. Je stärker deine Elfennatur hervortritt, desto hilfloser bist du dem Gift des Isenmort ausgeliefert und ich kann dir keinen schwarzen Bernstein mitgeben, um dich davor zu schützen.«
Tania erinnerte sich noch gut an das erste Mal, als sie auf Metall reagiert hatte. Sobald sie damit in Berührung kam, kribbelte es in ihren Fingern. Die seltsame Allergie war immer stärker geworden, bis sie genauso empfindlich auf Metall reagierte wie alle anderen im Elfenreich. Die Berührung mit Isenmort war Gift für sie und die Welt der Sterblichen war voller Metall.
»Rathina ist immun dagegen«, sagte Tania. »Vielleicht kann ich sie mitnehmen. Aber ich weiß nicht, wie ich zu ihr kommen soll. Die Wachen vor meiner Tür lassen mich nicht durch.«
Eden lächelte sanft. »Nicht alle Wege im Palast sind dir versperrt«, sagte sie. »Komm, ich zeige dir etwas, was dir als Kind das größte Vergnügen bereitete.«
Verwundert folgte Tania ihr ins Schlafzimmer. Eden stand neben dem Nachttisch, das Gesicht zur Wand, eine Hand erhoben und murmelte leise vor sich hin.
Mit einem Mal erbebte der Nachttisch und bewegte sich ruckartig vorwärts.
»Was machst du da?«, fragte Tania.
Im nächsten Moment tat sich ein Spalt in der Wand auf und Tania starrte ungläubig auf den schmalen Durchgang, der mit Spinnweben verhangen war.
»Was ist das?«, fragte sie und kauerte sich nieder, um in das Loch zu spähen.
»Weißt du nicht mehr?«, sagte Eden. »Ich habe diese Gänge für dich und deine Schwestern geschaffen, als ihr noch klein wart, damit ihr heimlich von einem Gemach ins andere gelangen konntet. Rathina, Zara, Cordelia und du fandet es immer sehr aufregend, denn alle Gänge führten …«
»In das Geheime Zimmer«, sagte Tania. »Dort haben wir uns immer getroffen. Ja, ich erinnere mich. Oh, Eden, ich erinnere mich!«
Eden nahm eine Kerze vom Nachttisch, berührte den Docht und im Nu flackerte eine kleine Flamme auf.
»Geh zu Rathina«, sagte Eden. »Folge dem Gang zur Linken, dann wirst du bald auf den Eingang zu ihren Gemächern stoßen. Geh mit ihr zum Geheimen Zimmer, dort seid ihr unbeobachtet und könnt in die Welt der Sterblichen reisen.«
»Okay, mach ich«, sagte Tania. »Aber erst brauch ich noch ein paar Sachen.«
Ihre alte Leinentasche lag neben dem Bett. Damit hatte sie schon oft Dinge ins Elfenreich gebracht, die sie ihren Schwestern zeigen wollte. Wenn sie jetzt vom Veraglad-Palast in die Welt der Sterblichen übertrat, war sie meilenweit von zu Hause entfernt. Und deshalb brauchte sie Geld – oder zumindest die Möglichkeit, schnell an welches zu kommen.
Sie durchwühlte ihre Tasche und fand ihr Portmonee mit Ausweis, ec-Karte, Organspendeausweis und ein paar anderen Sachen. Zum Glück hatte sie schon immer einen Teil ihres Taschengelds auf ihr Konto eingezahlt, sodass sie jederzeit Geld an einem Automaten abheben konnte.
Sie warf sich die Tasche über die Schulter und wandte sich zu Eden. »Ich muss dir noch was sagen, bevor ich gehe. Ich hatte gestern Nacht einen seltsamen Traum – ich glaube, dass er etwas bedeutet.«
»Wovon handelte er?«
Tania erzählte ihr den Traum, so weit sie sich erinnerte. Von dem Lied wusste sie nur noch ein paar Worte, aber sie beschrieb ihr, wie unendlich traurig und wehmütig es geklungen hatte. Und an Cordelias letzte Worte erinnerte sie sich ganz deutlich: »… wenn du mich retten willst, wenn du uns alle retten willst, so suche das Verlorene Caer …«
»Das Lied des Verlorenen Caer«, murmelte Eden. »Ich habe noch nie von einem solchen Lied gehört, und doch bin ich sicher, dass der Traum uns etwas Wichtiges sagen will.« Sie schwieg eine Weile, dann fügte sie stirnrunzelnd hinzu: »Vielleicht finden wir die Antwort im Elfen-Almanach.«
»Was ist das?«
»Ein Buch. Es erzählt die Geschichte des Elfenreichs«, erklärte Eden. »Es steht in Sanchas Bibliothek im königlichen Palast. Die Berichte reichen bis in die Zeit der Großen Erweckung zurück. Vielleicht enthalten sie einen verborgenen Hinweis auf das Verlorene Caer – und damit auf ein Heilmittel gegen die Krankheit.«
»Aber kannst du so einfach aus dem Palast spazieren?«, fragte Tania zweifelnd.
»Niemand wird von meiner
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