Das verfluchte Koenigreich
»Dann greift Titania in den Kelch und nimmt einen der beiden Steine heraus. Der Rubin wird dich schuldig sprechen, der Saphir ist deine Rettung.«
»Und wenn ich schuldig gesprochen werde?«
»Das würde Verbannung bedeuten – für alle Zeit.«
Kalte Wut stieg in Tania auf. »Auch gut«, sagte sie. »Dann soll es eben so sein. Wenn hier alle Angst vor mir haben, kann ich genauso gut nach Hause gehen.«
Eden betrachtete sie forschend. »Meinst du das ernst? Du würdest uns wirklich verlassen?«
»Darum geht es doch gar nicht. Aber was ist, wenn Lord Aldrich Recht hat? Vielleicht bin ich wirklich eine Gefahr für euch, ohne es zu wollen? Mein Dad hat die Krankheit ins Elfenreich gebracht, aber ohne mich wäre er nie hierhergekommen. Und so gesehen ist alles meine Schuld.«
Eden nickte. »In der Tat«, sagte sie. »Das ist wahr.«
Tania sah sie bestürzt an. Sie hatte gedacht, dass Eden widersprechen und sie trösten würde, dass es nicht ihre Schuld sei und sie sich keine Vorwürfe machen müsse.
»Dann findest du auch, dass ich fortgehen sollte?«, fragte Tania.
»Ja, gewiss, und zwar möglichst schnell, ehe der Tag zu Ende geht und die Herzöge des Elfenreichs die Portale zwischen den Welten schließen. Doch meine ich damit nicht, dass du in die Verbannung gehen sollst. Lord Aldrich kann sagen, was er will, aber ich glaube nicht, dass der Heiler die Macht besitzt, die Krankheit aufzuhalten. Sein Steinezauber wird keine Wirkung haben.«
»Das sagt Sancha auch. Und was soll ich dagegen tun?«
»Ein Heilmittel suchen«, sagte Eden.
»Wie denn? Und wo? Ich weiß doch nichts über Medizin! Wenn nicht mal Hopie eine Idee hat, wie soll ich dann ein Medikament auftreiben?«
Eden blickte sie ruhig an. »Es ist eine Krankheit aus der Welt der Sterblichen«, sagte sie. »Also musst es eine Arznei der Sterblichen sein. Gibt es dort keine Heiler?«
Tania starrte sie an. »Ja, natürlich gibt es die – aber selbst wenn …« Plötzlich hatte sie eine Idee und sie ärgerte sich, dass sie nicht schon früher draufgekommen war. Seit Tagen zerbrach sie sich den Kopf und dabei lag die Lösung so nah.
»Connor!«, stieß Tania hervor. »Connor könnte uns sicher helfen.«
»Wer ist Connor?«
»Der Sohn einer befreundeten Familie – Connor Estabrook. Er studiert Medizin im zweiten Semester. Er weiß bestimmt, welche Medikamente man nehmen muss – vielleicht kann er mir sogar welche besorgen.« Sie überlegte angestrengt. »Ich muss nur eine plausible Erklärung finden. Aber mir wird schon was einfallen.« Sie stand auf und umarmte ihre Schwester. »Eden, ich bin so dumm! Das hätte ich schon längst tun können. Warum hast du mich nicht früher darauf gebracht?«
»Weil ich hoffte, dass wir ein Heilmittel im Elfenreich finden würden«, erwiderte Eden. »Und Hand aufs Herz, Tania, wer kann schon sagen, welche Wirkungen solche Arzneien auf Elfen haben? Vielleicht helfen sie nicht oder richten sogar noch mehr Schaden an.«
»Sag doch so was nicht!«
»Medizin allein wird vielleicht nicht genügen«, sagte Eden. »Möglicherweise wird es nötig sein, einen Heiler aus der Welt der Sterblichen ins Elfenreich zu bringen, der die Medizin verabreicht. Auch wenn er eine Gefahr für unser Volk darstellt.«
»Das geht nicht«, sagte Tania. »Du weißt doch, dass ich nur Menschen, die ich liebe, von einer Welt in die andere bringen kann. Bei Edric, meinen Eltern und dir und Hopie und den anderen ist das kein Problem – aber Connor Estabrook kann ich nicht herbringen. Ich war zwar mal in ihn verknallt, als ich zehn war und er dreizehn – aber jetzt seh ich ihn höchstens ein- oder zweimal im Jahr.«
»Ich habe etwas, was dir helfen wird«, sagte Eden. Sie griff in ihr Gewand und zog ein schmales Kristallarmband heraus. »Das Armband ist aus Herzstein. Es ist etwas ganz Besonderes, denn es wird immer an den Ort zurückkehren, an dem es gefertigt wurde.«
Tania nahm das Armband, das sich warm auf ihrer Haut anfühlte.
»Wenn ein Sterblicher dieses Armband trägt und du seine Hand nimmst und mit ihm ins Elfenreich trittst, wird er durch die Kraft des Herzsteins hinübergezogen. Und solange das Armband am Handgelenk des Sterblichen bleibt, wirst du mit ihm viele Male hin- und herreisen können. Doch wenn dir beim Übertritt seine Hand entgleitet, bleibt er zwischen den Welten gefangen.«
»Ich verstehe«, sagte Tania. »Danke.« Sie betrachtete das Armband und fügte hinzu: »Ich muss jetzt los. Unser Vater hat gesagt,
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