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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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übersäte Steine zierten diese Lichtung, auf der die Krieger der Riesen ihr Kampfhandwerk übten, seit ihnen der Wildbart zur Zuflucht geworden war.
    Bestar, das gezogene Schwert in beiden Händen, stand dem Schemenreiter gegenüber, der seine schwer zu erkennende, säbelartige Klinge locker seitlich neben dem Pferdeleib hielt. Das Mondlicht war knapp ausreichend, um den Schemen sehen zu können. Das weit größere Problem würde die vollständige Lautlosigkeit des Gegners sein.
    Der junge Riese Kurgattunek gab ein Signal, und der Kampf begann.
    Bestar fing vorsichtig an. Das war sehr ungewöhnlich für ihn, aber er spürte die Verantwortung, das gesamte Mammut zu repräsentieren. Anders als im Terreker Talkessel, anders als bei den Wachtposten auf dem Wandryer Schiff waren seine Gefährten hier nicht in der Nähe, konnte keiner von Hellas’ unbegreiflichen Pfeilen einen entscheidenden Akzent setzen. Bestar wollte diese Aufgabe auf keinen Fall vermasseln, indem er sie zu sehr auf die leichte Schulter nahm.
    Der Gegner war nicht die ganze Zeit über wahrnehmbar, aber das Unsichtbarkeitsflackern währte immer nur wenige Augenblicke, und so schwierig es auch war, gegen einen Berittenen zu kämpfen – das Pferd war auch ein Nachteil für den Reiter, denn es machte ihn weniger wendig und vorhersehbarer. Bestar konnte die Unsichtbarkeiten leicht ausfüllen, denn das Pferd konnte nicht plötzliche Seitschritte machen oder gar rückwärts hüpfen. Das Pferd war Bestars Trumpf, und er achtete darauf, es durch seine Bewegungen nicht allzusehr gegen sich aufzubringen. Niemals hätte er ein Pferd geschlagen, auch nicht den Geist eines Pferdes, auch nicht den Geist von sechs Pferden.
    Der Klippenwälder parierte die ersten Attacken und erwarb ein Gespür für die Wucht und die Geschwindigkeit der Schemenklinge. Er wich den Vorderhufen weiträumig aus, die der Reiter zweimal gegen ihn ins Feld führte. Er ließ den Angreifer passieren und schlug dann von schräg hinten zu. Oder wenn der Reiter abwartete, attackierte er selbst, indem er sich der einen Seite des Pferdes näherte, dann knapp unter dem Hals des Reittieres durchtauchte und auf der anderen Seite nach dem Reiter schlug. Der Reiter vermochte alles zu parieren. Und bei etwa der zwanzigsten dieser Paraden zerbrach Bestars Schwert.
    Der Kampf kam zum Erliegen. Beide Gegner standen sich wieder gegenüber wie zu Beginn. In den Bäumen ringsum rauschte Wind wie der Applaus von Gespenstern.
    Der Reiter machte Zeichen, und Kurgattunek sagte: »Er sagt, daß die Unzuverlässigkeit menschlichen Waffenmaterials diese Begegnung nicht entscheiden soll, denn du hast dich ohn’ Tadel gehalten bis jetzt. Geh zu den Riesen, und wenn sie dir eine ihrer Waffen anvertrauen, soll der Kampf weitergehen.«
    Â»Gibst du mir deinen Kampfstab?«
    Â»Der ist zu lang und unhandlich für dich und kann dir eine Klinge nicht ersetzen.«
    Â»Mein Vater … war ein Lanzenmann Dritter Rang. Er hat mich von klein auf mit Stangenwaffen geschunden. Vielleicht ist der ganze Mist jetzt doch mal zu etwas nütze.«
    Der Riese warf Bestar den Stab zu. Der Stab war schwieriger zu sehen im Mondlicht als ein Schwert, weil er nicht reflektierte, aber es gelang Bestar dennoch, ihn zu fangen. Es war nicht nur der längste, sondern auch der bei weitem schwerste Kampfstab, den Bestar je in Händen hatte. Er grinste. Ihm war klar, daß er die Schläge des Gegners jetzt nicht mehr so einfach parieren konnte, sonst würde die Schemenklinge den versteinerten Stab einfach durchschneiden. Er mußte jetzt noch besser ausweichen. Mit einer größeren Waffe sperriger geworden, mußte er noch gewandter als vorher sein.
    Also legte er seine schwere, sperrige Lederrüstung ab. Kurgattunek staunte und wollte etwas sagen, doch Bestar sah ihn nur kurz gutgelaunt an, und der Riese schwieg. Bestar legte auch sein Hemd ab, bis er mit entblößtem Oberkörper dastand.
    Er nickte in Richtung des Gegners, sagte: »Bringen wir’s zu Ende, mein Freund«, und begann zu tanzen. Er hörte einfach nicht mehr auf, sich zu bewegen. Drehte sich hierhin und dorthin, berührte mit dem linken Stabende das Gras, dann mit dem rechten, sprang über sein eigenes Bein und taumelte dermaßen unorthodox durch die Dunkelheit, daß er selbst zu einem Schemen wurde, zu einem Rauch, der bald hierhin, bald

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