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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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verkraften.«
    Verwirrt brabbelte Hellas etwas in seinen mehrtägigen Stoppelbart, aber keiner der beiden anderen konnte verstehen, was.
    Sie ließen die drei geöffneten und die eine noch geschlossene Rätseltür hinter sich und gingen durch einen schmalen, aber immerhin riesenhohen Gang weiter, bis sie nach dreihundert Schritten an einen reißenden Strom gelangten, der in einem scharf umrissenen und deshalb an einen Kanal erinnernden Steinbett an ihnen vorüberraste. Der Lärm war ohrenbetäubend und füllte das gesamte Innere eines offensichtlich gewaltigen Felsendomes. Nachdem ihre Augen sich einigermaßen an das Licht gewöhnt hatten, das von verstreut im gesamten Areal stehenden Kerzen kleckerte, begriffen sie die ganze phantastische Konstruktion. Das tobende Wasser floß im Kreis.
    Direkt vor ihnen strömte es von links nach rechts vorüber, beschrieb dann in seinem Bett eine Kurve nach hinten, floß dort in etwa hundert Schritt Entfernung von rechts nach links wieder zurück und schließlich nach einer nach vorne führenden Kurve wieder direkt an ihnen vorbei. Das Ganze erinnerte Rodraeg an die Rennbahn, die es in der Hauptstadt gab, nur daß hier eben keine Wagengespanne durch den Sand rasten, sondern Wasser mit einer durchaus an einen Wagen gemahnenden entfesselten Geschwindigkeit. Wie das funktionierte, weil kein Gefälle im Spiel war, das das Wasser zum Stürzen hätte veranlassen können, und es auch mit einem Gefälle niemals einen in sich selbst mündenden Kreislauf hätte ergeben können, blieb ein Rätsel, wie so vieles in dieser immer wieder aufs neue ausufernden Höhle.
    Tatsache war, daß der Strom an allen Stellen zehn Schritte breit war, ähnlich dem Abgrund, den sie nur mit Hilfe der Fleischfliegen hatten überqueren können, und genauso unmöglich zu überspringen. Außerdem war das Ufer der vom Wasser umrundeten Mittelinsel glatt wie poliert, wieder einmal konnte man den Wurfhaken nirgends festmachen. Und dann fiel ihnen allen ein, daß der Wurfhaken und das lange Kletterseil bei Bestar waren. Sie hatten jetzt nur noch die zehn Schritte Seil, die Rodraeg schon immer mit sich herumschleppte, und die reichten kaum aus, den Strom zu überspannen, geschweige denn, dann noch jemanden daran festzuhalten.
    Â»Wir binden uns aneinander und überantworten uns der Strömung«, sagte Eljazokad. Der umherspritzende Gischtnebel netzte sein Gesicht. »Das ist es, was die Stimme uns sagte, nachdem wir das Riesenleben durchschritten hatten. ›Fügt euch den Kräften, um aus ihnen hervorzugehen.‹ Wir sollen in den Wasserkreislauf eingehen, um dann irgendwo aus diesem herausgeschleudert zu werden. Es gibt nur ein Problem.«
    Â»Das Wasser ist eiskalt, die Strömung wird uns zerschmettern, Rodraeg kann ohnehin nicht mehr atmen, mein Bein ist so gut wie gebrochen, und du halbes Hemd kannst uns beide niemals tragen«, nickte Hellas.
    Â»Das meinte ich gar nicht. Also gut: sechs Probleme. Das, was ich meinte, ist: Ich kann da nicht reingehen. Das Stadtschiff wird mich holen.«
    Â»Ach, hör doch endlich auf mit deinem beschissenen Stadtschiff!« regte Hellas sich auf. »Ich kann es nicht mehr hören! Was tut dieser Kahn dir denn an? Als du ihm in Wandry begegnet bist, ist dir nichts passiert. Hier im Unterwassertunnel ist dir auch nichts passiert außer einer lächerlichen Beule am Kopf. Die Kruhnskrieger waren gefährlicher. Dascos Wölfe waren gefährlicher. Der Blauhaarige und seine Mammutfellkameraden waren gefährlicher. Sogar diese wimmelige Spinnenbrut neulich war gefährlicher. Du gehst jetzt mit uns ins Wasser, und wenn dein Hosenscheißerschiff auftaucht, puste ich es mit einem ›Buh!‹ über den Horizont ins Nichts. Los jetzt, her mit dem Seil, ich knote uns aneinander, damit keiner sich unterwegs davonmachen kann wie Bestar.«
    Eingeschüchtert vom Ausbruch des Bogenschützen, ließen Eljazokad und Rodraeg die Prozedur über sich ergehen.
    Â»So«, sagte Hellas, nachdem er fertig war. »Meine Bogensehne wird jetzt zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden naß, das ist überhaupt nicht gut für sie. Aber das ist ja egal, weil wir jetzt sowieso alle drei absaufen. Hast du keine schönen letzten Worte mehr auf Lager, Rodraeg?«
    Rodraeg schüttelte den Kopf. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst, ein Schemenreiter ohne Pferd,

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