Das Verhaengnis Thriller
sollte, es noch länger hinauszuzögern, oder? Sie hatte nicht viele Freunde …«
»Wie traurig«, sagte Jeff höhnisch. »Und nein, unbedingt, je früher wir sie unter die Erde bringen, desto besser.«
»Du übernachtest bei mir«, sagte Ellie. »Und Kirsten auch, wenn sie kommt.«
Diesmal machte Jeff sich nicht die Mühe, sie zu verbessern. Kirsten, Kristin – welchen Unterschied machte das? »Tut sie nicht.«
»Auch gut. Dann haben die Kinder dich ein paar Tage ganz für sich.«
»Die wissen doch nicht mal, wer ich bin«, sagte Jeff.
»Dann wird es höchste Zeit, dass du etwas dagegen tust.«
Jeff drehte sich zu seiner Schwester um. Er sah die Trauer in ihren Augen und begriff zum ersten Mal, dass die Mutter, die sie verloren hatte, eine vollkommen andere Frau gewesen war als die Mutter, die er nie richtig gekannt hatte. »Okay«, sagte er.
Ellie errötete vor Erleichterung. Tränen der Dankbarkeit schossen ihr in die Augen. »Gut, ich rufe Bob an und sage ihm, dass wir auf dem Weg nach Hause sind.«
»Warum treffen wir uns nicht dort? Ich muss noch zurück ins Motel, meinen Koffer packen …«
»Du hast einen Koffer dabei?«
»Du kennst mich doch.«
»Ich würde dich gern kennen«, sagte sie.
»Triff du die notwendigen Vorkehrungen«, erklärte er ihr. »Ich fahre zurück ins Motel, dusche, packe meine Sachen und bin in einer Stunde bei dir.«
»Versprochen?«
»Versprochen.«
»Ich liebe dich«, sagte Ellie mit brechender Stimme.
Jeff umarmte seine Schwester und hielt sie fest, während sie in seinen Armen weinte.
Eine Stunde später saß er zusammengesunken in der Flughafen-Lounge, den Kopf voller Bilder von Suzy, als »The Star-Spangled Banner« ertönte. Er zog sein Handy aus der Tasche und sah auf das Display. Er hoffte, es würde Suzy sein, wusste jedoch, dass es Ellie war, die fragte, warum er so lange brauchte.
Er überlegte dranzugehen, aber was hätte er sagen sollen? Dass er es sich anders überlegt hatte? Dass er die ganze Zeit gelogen hatte? Das musste Ellie doch vermutet haben. Sie hätte auch darauf bestehen können, ihn zum Motel zu begleiten. Sie hätte sich weigern können, ihn aus den Augen zu lassen, weil sie wusste, dass es nicht unwahrscheinlich war, dass er kehrtmachen und weglaufen würde. Stattdessen hatte sie den bequemen Weg gewählt. Letztendlich war sie die Tochter ihrer Mutter.
Zu sagen »ich liebe dich« war nur ihre Art gewesen, sich zu verabschieden.
Jeff starrte auf das Telefon, bis die Hymne verstummte, und steckte es dann wieder ein. Er machte es sich auf seinem Platz bequem, schloss die Augen, ließ den Kopf auf die Brust sinken und überließ sich wieder seinen Träumen von Suzy.
Kapitel 28
Tom öffnete die Augen in der Dunkelheit des späten Nachmittags. Nicht dass es draußen schon dunkel gewesen wäre, das nicht. Aber bei den zugezogenen Vorhängen hätte es auch mitten in der Nacht sein können. Er lehnte den Kopf auf das Blumenpolster des Sofas, streifte seine Sneakers ab, streckte die Beine aus und legte die Füße auf den Couchtisch aus Holz und Glas. Mit dem rechten Fuß – an dem er denselben dunkelblauen Socken trug wie seit zwei Tagen – trat er gegen eine Flasche, die klirrend zu Boden fiel. Sofort stieg ihm der Gestank von verschüttetem Bier in die Nase und verband sich mit dem eklig süßen Geruch von Marihuana und den weggeworfenen Zigarettenkippen auf dem Fußboden, die sein Revier markierten wie verstreute Kiesel. »Was zum Teufel machst du?«, tadelte er sich mit Laineys Stimme. »Hier sieht es aus wie in einem Schweinestall, Himmel noch mal. Räum gefälligst auf.«
Tom lachte. »Ich fange gerade erst an, du Schlampe«, brüllte er in das dunkle Zimmer. »Warte, bis du das Schlafzimmer siehst.« Er lachte noch einmal und wandte die Augen zur Decke, als er sich einen weiteren Joint anzündete und an den letzten Abend dachte. Was für eine Nacht!
Er griff nach der halbleeren Bierflasche in seinem Schoß und leerte sie in einem langen Schluck. Wie viele waren es jetzt, fragte er sich und versuchte die Biere zu zählen, die er seit dem Morgen getrunken hatte. Oder genauer gesagt seit gestern Abend, korrigierte er sich, denn er hatte seit mindestens vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen und gestern Abend um sieben angefangen zu trinken – wenn man die beiden Bierchen nicht mitzählte, die er auf dem Nachhauseweg gekippt hatte. Er ließ die leere Flasche auf den Boden fallen, zog intensiv an dem Joint, griff nach dem
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