Das Verhaengnis Thriller
mir.«
»Jeff«, sagte eine neue Stimme. »Jeff? Alles okay mit dir?«
Der Fernseher in Jeffs Kopf wurde plötzlich schwarz.
»Jeff?«, fragte die Stimme noch einmal. Finger strichen sanft über seine Wange.
»Ellie«, sagte Jeff, als das Gesicht seiner Schwester vor ihm auftauchte. Sie hockte vor ihm, älter und üppiger, als er sie in Erinnerung hatte, das Haar in einem etwas blasseren Blondton, rote Ränder unter den grau-grünen Augen. Sie trug eine ärmellose hellblaue Bluse, und Jeff bemerkte die fleckige Haut und das schwabbelige Fleisch ihrer Oberarme.
»Dagegen solltest du etwas tun«, sagte er gedankenverloren. Er wüsste alle möglichen Übungen, die er ihr empfehlen könnte.
»Wogegen sollte ich etwas tun?«
»Was?«, fragte er und hob den Blick wieder zu ihrem Gesicht.
»Alles okay?«
»Ja.«
»So wirkst du aber nicht.«
»Ich bin bloß müde.«
»Wann bist du angekommen?«
»Gestern Abend.«
»Gestern Abend? Warum hast du nicht eher angerufen?«
»Es war spät«, log Jeff. Eigentlich wusste er nicht, warum er sie nicht angerufen hatte. »Vielleicht wollte ich dich überraschen.«
»Vielleicht warst du dir auch nicht sicher, ob du es durchziehen würdest.«
Jeff musste nicht fragen, was Ellie meinte. »Vielleicht.«
»Möchtest du einen Kaffee?«
»Ich hatte schon reichlich Kaffee.«
»Ich auch. Vielleicht können wir uns irgendwo hinsetzen.« Ihre Knie knackten, als sie sich wieder aufrichtete.
Ein paar Minuten später fanden sie sich in dem leeren Zimmer ihrer Mutter wieder, Ellie hockte auf der Bettkante des frisch bezogenen Krankenhausbetts. Jeff stand am Fenster und blickte auf die Straße. »Und was genau ist passiert?«, fragte Jeff.
»Ihr Herz hat einfach aufgegeben, nehme ich an.«
»Was sagen die Ärzte?«
»Nicht viel. Ich meine, was können sie sagen? Es kam nicht direkt überraschend. Der Krebs hatte mehr oder weniger die Herrschaft über ihren Körper übernommen. Ihr Herz ist minütlich schwächer geworden. Als ich gestern hier war, hatte ihr Gesicht diese schreckliche graue Blässe angenommen. Ich wusste, dass sie es nicht mehr viel länger machen würde.«
Und auf einmal lachte Jeff lange und laut.
»Jeff? Was ist? Was ist los?«
»Sie konnte einfach nicht warten, was?«, sagte er.
»Was?«
»Sie konnte nicht einen verdammten Tag länger warten.«
»Wovon redest du?«
»Oder wenigstens ein paar verdammte Stunden«, sagte Jeff.
»Du glaubst, sie hätte das mit Absicht gemacht? Du glaubst, sie wäre vorsätzlich gestorben, bevor du kommen konntest?«
Jeff warf den Kopf in den Nacken und lachte noch lauter als zuvor. »Das würde ich ihr zutrauen.«
»Du redest dummes Zeug.«
»Sie konnte sich die Chance, es noch einmal mit mir zu vermasseln, einfach nicht entgehen lassen.«
»Das ist nicht wahr. Das weißt du genau. Sie hatte seit Wochen nach dir gefragt. Sie wollte dich unbedingt sehen. Sie hat bis zum Schluss gehofft, dass du kommst.«
»Und warum hat sie dann nicht gewartet? Sag es mir.«
»Sie hatte keine Wahl, Jeff.«
»Natürlich hatte sie das. Sie hatte immer eine Wahl. Genauso wie damals, als sie entschieden hat, mich aufzugeben und dich zu behalten; als sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollte …«
»Sie hat dich nie vergessen, Jeff.«
»Sie wusste, dass ich früher oder später kommen würde. Sie hat sich einfach nicht die Mühe gemacht zu warten. Ich war die Anstrengung nicht wert.«
»Das ist nicht wahr.«
»Also hat sie mich noch einmal verlassen. Die finale Ohrfeige. Diesmal aus dem Grab. Wirklich starker Abgang, Mutter, das muss ich dir lassen. Das kriegt niemand besser hin. Da bist du immer noch Meister.« Jeff spürte, wie seine Schwester von hinten auf ihn zutrat und ihre Hände auf seine Arme legte. Er zuckte zusammen und schüttelte ihre Berührung ab. »Wo ist sie überhaupt?«
»Man hat sie zum Bestatter gebracht. Wir können zusammen hinfahren, wenn du willst. Du kannst sie noch einmal sehen und dich von ihr verabschieden.«
»Nein danke.« Er lachte erneut. »Abberufen.«
»Was?«
»Die Krankenschwester hat gesagt, sie wäre abberufen worden. Wie von einem wichtigen Posten.«
»Das ist nur so eine Redensart, Jeff. Wahrscheinlich dachte sie, es wäre rücksichtsvoller, als zu sagen, sie ist gestorben.«
»Hey, tot ist tot, egal wie man es ausdrückt. Und was passiert jetzt?«
»Wir fahren nach Hause, treffen alle Vorkehrungen für die Beerdigung. Ich dachte an Freitag. Ich weiß nicht, welchen Sinn es haben
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