Das Verhaengnis Thriller
Boden, streckte die Beine aus und stemmte sich auf ihren Handflächen hoch.
»Langsamer«, ermahnte Jeff sie. »Sie glauben, für uns wäre es leicht?«
»Ist es das etwa nicht?«
»Inwiefern?«
»Mit Frauen«, grunzte Caroline.
Jeff blickte zu Melissa, deren leicht verlegenes Lächeln verriet, dass sie ihn beobachtet hatte, und dann zu Kelly, die ihm mit den Fingern der linken Hand verstohlen zuwinkte, während sie sich anschickte, zwei Fünf-Kilo-Hanteln über ihrer Brust zu stemmen. »Kann sein«, sagte er und sah in dem großen Spiegel in Carolines Rücken seine Mutter.
»Mit wem warst du diesmal zusammen?«, fragte sie vorwurfsvoll.
»Ich war mit niemandem zusammen«, gab sein Vater gereizt zurück. »Ich war im Büro.«
»Sicherlich. So wie du letzten Donnerstagabend und den Donnerstagabend davor auch im Büro warst.«
»Wenn du das sagst.«
»Ich sage, du bist ein nichtsnutziger Hurenbock, das sage ich.«
»Du musst es ja wissen.«
»Okay, noch ein bisschen tiefer, Caroline«, sagte Jeff laut, um den Streit seiner Eltern zu übertönen, wie er es als kleiner Junge immer getan hatte. »So ist’s besser. Noch zehn.«
»Warum schreien Sie so?«, fragte Caroline.
»Tut mir leid. Das war mir gar nicht bewusst.«
»Alles in Ordnung?«, fragte Larry im Vorbeigehen. Er trug ein ärmelloses weißes T-Shirt, das seine muskulösen Arme zur Geltung brachte, und Kelly folgte ihm brav, obwohl ihr Blick an Jeff klebte.
»Die Musik ist ein bisschen laut«, sagte Jeff.
»Ja, findest du auch?«, stimmte Larry ihm zu, ging zu der gegenüberliegenden Wand und drehte die Anlage leiser. »So ist’s besser, was?«
»Viel besser«, log Jeff. In Wahrheit liebte er die laute Musik. Vor allem Rap und Hip-Hop, die Art von Musik, die einem nicht nur in den Kopf, sondern auch unter die Haut und durch den Körper ging. Die Art von Musik, die alle bewussten Gedanken ausradierte.
Wenn er als kleiner Junge versucht hatte zu überhören, wie seine Eltern sich im Nebenzimmer anschrien, hatte er das Radio immer so laut gedreht, wie er konnte, und zu Aerosmith oder Richard Marx mitgesungen, und wenn er den Text nicht kannte, hatte er sich irgendwas ausgedacht. Verdammt, er hatte sogar zu Abba mitgesungen. You are the dancing queen .
Den Song hatte Ellie immer geliebt. Seine Schwester war drei Jahre älter als er, und manchmal lief er, wenn ihre Eltern wieder zugange waren, in ihr Zimmer, und sie schalteten das Radio ein, und er sang, und sie tanzte, und manchmal fasste sie ihn und wirbelte ihn im Kreis herum, bis sie erschöpft und schwindelig zusammen auf den Boden sanken, während der Raum vor ihren Augen munter weiterkreiselte.
You are the dancing queen.
Das war vor jenem Winterabend, an dem ihre Mutter sie aus ihren warmen Betten gezerrt, Mäntel über ihre Pyjamas gestreift und sie in der bitteren Kälte ins Auto gepackt hatte. Ohne sich zu vergewissern, dass sie ihre Sicherheitsgurte angelegt hatten, war sie auf den Highway gefahren, hatte geweint und Worte gestammelt, die er nicht verstanden hatte, obwohl er begriff, dass sie böse waren, allein an der Art, wie sie sie gegen die Windschutzscheibe gespuckt hatte. Sie waren endlos gefahren, bis sie auf dem Parkplatz eines Hotels am Stadtrand gehalten hatten. Ihre Mutter hatte sie aus dem Auto gezerrt und ohne Stiefel durch den Schnee stapfen lassen; der Saum ihrer Schlafanzughosen schleifte durch eiskalte Pfützen, und alle weinten, als sie schließlich vor der Tür von Zimmer 17 standen.
»Noch mal siebzehn«, sagte Jeff.
»Was?« Caroline richtete sich auf den Knien auf. »Noch mal siebzehn? Soll das ein Scherz sein?«
»Tut mir leid. Ich wollte bloß sehen, ob Sie mitzählen.«
»Oh, ich zähle mit, keine Sorge.«
»Setzen Sie sich auf den Rand der Bank.« Jeff griff nach der Zehn-Kilo-Hantel, und Caroline streckte beide Hände aus. Er ließ die Hantel in ihre Hände gleiten, und ihre Finger mit den langen roten Nägeln schlossen sich um die Stange. »Die Hände ein bisschen weiter auseinander. Okay, beim Stemmen ausatmen. Versuchen Sie, die Arme durchzudrücken.«
Der kleine Jeff atmete tief durch, während er beobachtete, wie seine Mutter an die Tür des Motelzimmers trommelte. »Lass mich rein, du Schwein«, kreischte sie. »Ich weiß, dass du da drin bist.«
Und dann ging die Tür von Zimmer 17 langsam auf, und sein Vater stand vor ihnen, in Boxershorts und mit einem schiefen Grinsen, in dem Bett hinter ihm saß eine Frau, die sich das Laken bis ans Kinn
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