Das Verhaengnis Thriller
gezogen hatte. Ehe Jeff sich fragen konnte, was sein Vater mitten in der Nacht in diesem fremden Zimmer mit dieser fremden Frau machte, schob seine Mutter ihn und seine Schwester schon aus dem Weg, beschimpfte die Frau als dreckige Hure, riss ihr das Laken weg, sodass ihre vollen Brüste entblößt wurden, und stürzte sich mit ihren langen roten Fingernägeln auf ihr Gesicht.
Genau wie Carolines Fingernägel, dachte er, als er beobachtete, wie sie die Hantel nach oben drückte und wieder sinken ließ. Hatte das die unschönen Erinnerungen an seine Mutter wachgerufen? Oder war es das Gespräch mit Will gewesen?
Hatte seine Mutter wirklich nur noch wenige Monate zu leben?
»Blöde Tussen«, hatte er seinen Vater murmeln hören, der das Gerangel der beiden Frauen auf dem Motelbett mit belustigter Gleichgültigkeit verfolgte.
»Das ist sehr gut, Caroline«, sagte Jeff jetzt, darauf bedacht, mit fester Stimme und nicht zu laut zu sprechen. »Sie haben ganz gut Kraft.«
»Nun, es heißt ja auch, Frauen seien das stärkere Geschlecht.«
»Glauben Sie, das stimmt?« Er gab ihr ein Springseil. »Eine Minute.«
»Ich glaube, in gewisser Hinsicht sind wir tatsächlich stärker«, sagte Caroline.
»In welcher Hinsicht?«
»Emotional.« Sie begann auf der Stelle zu hüpfen. »Ihr Männer seid viel zerbrechlicher, als ihr denkt.«
»Haben Sie nicht gerade eben gesagt, alles wäre so leicht für uns?«
»Dass man es leicht hat, bedeutet nicht, dass man weniger zerbrechlich ist«, sagte Caroline kryptisch.
Wovon zum Teufel redete sie, fragte Jeff sich, dem die Unterhaltung zunehmend auf die Nerven ging. Er mochte es nicht, wenn Frauen ihm das Gefühl vermittelten, er wäre dumm. »Warum trinken Sie nicht einen Schluck Wasser?«, fragte er, als sie mit dem Seilspringen fertig war.
Blöde Tussen , hörte er seinen Vater wiederholen.
Du wirst eine Zeitlang bei deinem Vater wohnen , sagte seine Mutter im nächsten Atemzug.
Der kleine Jeff stand stocksteif da und kämpfte gegen die Tränen, während er zusah, wie seine Mutter seine Kleider in einen kleinen braunen Koffer auf dem Bett warf. »Aber ich will nicht bei ihm wohnen.« Er war erst sieben Jahre alt. Die zehnjährige Ellie stand in der Zimmertür, die Augen groß wie Untertassen.
»Ich fürchte, du hast keine Wahl. Dein Vater gibt mir nicht genug Geld, um euch beide zu versorgen, und ich bin es leid, mit ihm über jeden Penny zu streiten. Also soll er sich eine Weile um dich kümmern. Das wird Miss Clarabelles Glanz garantiert ein wenig verblassen lassen.«
Miss Clarabelle nannte seine Mutter die neue Frau seines Vaters, obwohl sie in Wahrheit bloß Claire hieß. Jeff hatte Claire nie gemocht. Sie war dünn und knochig und regte sich ständig über irgendwas auf. Und nachdem sie jetzt das neue Baby hatte, schien er bei seinen Besuchen bloß im Weg zu sein.
»Was ist mit Ellie? Zieht sie auch zu Daddy?«
»Nein. Ellie bliebt bei mir.«
»Warum kann ich nicht auch bei dir bleiben?«, rief Jeff. »Ich verspreche, keinen Ärger zu machen. Ich verspreche, dass ich ein braver Junge bin.«
»Er erinnert mich einfach so extrem an seinen Vater«, hörte er sie später am Telefon sagen, ohne dass sie sich die Mühe machte, ihre Stimme zu dämpfen, während er schniefend auf der Treppe saß und darauf wartete, dass sein Vater ihn abholte. »Ich schwöre, sie haben das gleiche verdammte Gesicht. Und ich kann mir nicht helfen, aber jedes Mal wenn ich ihn ansehe, will ich ihn am liebsten erwürgen. Ich weiß, dass das Unsinn ist. Ich weiß, dass er nicht sein Vater ist. Aber ich kann seinen Anblick einfach nicht ertragen.«
»Es ist nur vorübergehend«, sagte sein Vater später, als er Jeff in das mit Quilts vollgestopfte Nähzimmer seiner Stiefmutter führte und seinen Koffer auf der schmalen Pritsche abstellte, die hastig an der Wand aufgebaut worden war. »Sobald sich deine Mutter wieder eingekriegt hat, kommt sie und holt dich zurück.«
Aber sie kam nicht, abgesehen von gelegentlichen angespannten Besuchen, bei denen sie sich immer auf einen Punkt knapp über seinem Kopf zu konzentrieren schien. Irgendwann hörten die Besuche ganz auf, und in den folgenden Jahren hatte sich nur Ellie bemüht, den Kontakt zu ihrem Bruder und ihrem Vater zu halten.
Ellie sagt, sie hat nach dir gefragt , hörte Jeff Will sagen.
»Jeff? Jeff?«, sagte Caroline jetzt. »Erde an Jeff. Sind Sie da?«
Jeff tauchte abrupt wieder in die Gegenwart ein, sein jüngeres Ich verschwand hinter
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