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Das verhängnisvolle Experiment

Das verhängnisvolle Experiment

Titel: Das verhängnisvolle Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Wurzelgeflecht überzogenen Waldboden bevölkerten, für etwas wie Krabben oder Echsen oder große Spinnen gehalten. Sie liefen auf dünnen Gliedmaßen mit trippelnden Schritten umher, und das erste, was ihm an ihnen auffiel, war die Ziellosigkeit ihrer Bewegungen. Zudem zeigten sie keinerlei Fluchtreaktionen, bei jedem Schritt, den man tat, bestand die Gefahr, mehrere von ihnen zu zertreten. Und nun, da er eines der Tiere mit der Fußspitze zur Seite geschoben hatte, sah er, daß es ein Vogel war. Mit einer schnellen Bewegung seines Fußes warf er den Krabbenvogel, oder wie immer. man das Wesen nennen mochte, auf den Rücken. Mit seinen sechs Beinchen ruderte das Tier heftig in der Luft herum, man wurde dabei unwillkürlich an einen großen, auf dem Rücken liegenden Käfer erinnert. Und es reagierte auch nicht anders als ein Käfer. Als es mit den Füßen keinen Halt fand, öffneten sich unbeholfen zwei Hautflügel, die bisher auf dem Rücken zusammengelegt gewesen waren, verhakten sich im Wurzelgeflecht und hebelten das Tier herum.

    Erst jetzt zeigte es eine Art Fluchtreaktion. Aber auch die war ungewöhnlich. Der Vogel lief hektisch hin und her und stieß dabei mehrmals an Lannerts Füße, eine Berührung, die ein unangenehmes Kribbeln verursachte.
    Yahiro trat heran und musterte das Tier. Er stand ganz still, mit ein wenig schräg gehaltenem Kopf, nur seine Augen folgten aufmerksam dem unkoordinierten Lauf. »Was soll man davon halten?« fragte Lannert.
    Yahiro ließ sich auf die Knie nieder, engte den Bewegungsraum des Tieres mit den Händen mehr und mehr ein und berührte es schließlich. Das Tierchen stieß ein helles Pfeifen aus. Lannert hatte den Eindruck, daß Yahiro mit übertriebener Vorsicht zu Werke ging, offenbar fürchtete er, den Krabbenvogel zu zerquetschen. Als er dann doch zufaßte, änderte sich das Verhalten des Tieres augenblicklich. Es war wie erstarrt, ein Klümpchen bewegungslosen, fremden Fleisches, das in Yahiros zur Schale gewölbten Händen lag. Es blieb auch dann noch reglos liegen, als Yahiro es auf nur einer Hand schnell auf und ab bewegte, als wollte er die Masse abschätzen.
    Endlich faßte er mit den Spitzen seiner Zangen zu und zog einen der Flügel auseinander. Die Schwinge war tatsächlich voll ausgebildet und erinnerte an die einer irdischen Fledermaus, ein wenig gewölbt, mit vier durchgehenden Holmen, die aus Fingern entstanden sein mußten. Das Prinzip der evolutionären Entwicklung schien also dem auf der Erde gültigen zu entsprechen. Eines der sechs Beinpaare, das dritte von vorn, hatte sich im Verlauf der Entstehung dieses kleinen Wesens zum Rücken hin verschoben und zu Flügeln umgestaltet. Ging man von irdischen Maßstäben aus, dann mußte dieser Prozeß Jahrtausende in Anspruch genommen haben, und er war wohl, der sinnvollen Form der Flugorgane nach zu urteilen, schon vor sehr langer Zeit abgeschlossen worden. Trotzdem vermochte das Tier offenbar nicht zu fliegen.
    »Das erinnert mich an den Strauß«, sagte Lannert. »An diesen komischen Vogel, der seine Flügel nicht zu benutzen wußte.«
    Doch Yahiro schüttelte bedächtig den Kopf. »Der Vergleich stimmt nicht ganz, Keeke. Strauß und Emu haben ihre Flugfähigkeit eingebüßt, weil aufgrund ihres Verhaltens eine bodengebundene Lebensweise vorteilhafter war. Deshalb sind ihre Flügel verkümmert. Dieser kleine Vogel hier ist aber im Besitz gut ausgebildeter Flügel. Da hat sich nichts zurückgebildet. Er müßte eigentlich fliegen können. Physiologisch gesehen.«
    Yahiro sagte das in einem Tonfall, den Lannert bisher noch nicht an ihm wahrgenommen hatte, irgendwie dozierend, als stände er vor einer großen Wandtafel, hielte einen Lichtzeiger in der Hand und unterwiese Biologiestudenten in den Anfängen der Evolutionstheorie.
    Lannert mochte solche Belehrungen nicht. Vielleicht deshalb nahm er Yahiro die geflügelte Krabbe aus der Hand, warf sie mehrmals in die Höhe und fing sie wieder auf. Die Flügel öffneten sich nicht. Sie zuckten nicht einmal. Nie hatte er etwas so Nutzloses gesehen wie die Schwingen dieses kleinen Wesens. Er spürte eine gewisse Aversion in sich aufsteigen. Sinnlosigkeit empfand er als einen Verstoß gegen die Entwicklung. »Seltsam!« sagte er und setzte das Tier an die senkrechte Flanke eines Baumstammes.
    Der Vogel klammerte sich mit seinen dünnen Beinchen krampfhaft an die glatte Unterlage, hilflos und zunächst ohne jede Bewegung. Als er sich schließlich zu drehen versuchte,

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