Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verhängnisvolle Experiment

Das verhängnisvolle Experiment

Titel: Das verhängnisvolle Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
Vom Netzwerk:
zertretene Kiesel und Unkrautpflanzen, alles sauber in kleine Säcke verpackt.
    Yahiro kann nicht verhindern, daß ihm beim Anblick all dieser ihren Aufgaben total angepaßten Maschinchen eine seltsame Gedankenassoziation kommt. Er ist einen Augenblick lang versucht zu glauben, auch hier habe Professor Haston seine Hand im Spiel gehabt, und er kann sich nur mühsam beherrschen, nicht nach der ursprünglichen, der lebendigen Form der kleinen Gärtner und Wassersprüher zu suchen. Dabei weiß er genau, daß es diese Form nie gegeben hat. Dies sind Mechanismen. Und trotzdem spürt er etwas wie eine vage Bindung zu ihnen.
    Ich weiß nicht, sinniert er, ob ich das gut finden soll? Und er sieht die Wälder der Insel Sikotan vor sich, die knorrigen Bäume über den Klippen, von denen das Tosen des Ozeans und die Schreie der Seebärenbullen heraufdringen. Und er sieht sich durch die Urwälder um Magadan streifen, durch Baumbestände, die nie eines Menschen Hand berührte. Das ist ein Land, wie es kein zweites gibt auf der Erde, urwüchsig und kraftvoll. »Kastrierte Natur!« sagt er wegwerfend.
    Die Schwester blickt verständnislos. »Aber was stört Sie daran, Vamos?«
    »Ebendas weiß ich nicht«, antwortet er. »Das ist doch alles sehr schön, Vamos. Sehen Sie nur das Gras und die Bäume. Erst durch die Hand des Menschen erhalten sie ihre wirklich vollkommene Form. Welches Ebenmaß und welcher Schwung der Linien! Empfinden Sie nicht, daß das schön ist?«
    Er schweigt, nur das Knirschen der Kiesel ist unter seinen Füßen.
    Auf dem Rückweg passieren sie eine Brücke, einen sanft geschwungenen Bogen mit weichwarmem Plastgeländer. Zu ihren Füßen, unter einer spiegelnden Glasfläche, gleitet lautloses Wasser. Er steht und blickt auf die Strudel und Wellen, auf den Sand und auf die rundgescheuerten Steine.
    »Wir mußten diesen Bach abdecken«, erläutert die Schwester. »Sie verstehen! Das laute Geplätscher Tag und Nacht. Es hätte gestört. Unsere Patienten brauchen Ruhe. Es gab Beschwerden…« Sie bricht ab, sie spürt wohl selber, daß es da eigentlich nichts zu erklären gibt.
    Er lacht abermals, und wieder erschrickt sie. Und er beschließt, sein Lachen vor dem Spiegel zu trainieren.
    »Sie müssen das einsehen«, fährt sie nach einer Weile eifrig fort. »Wir haben die Pflicht, jede Störung von unseren Patienten fernzuhalten. Haben Sie bemerkt, daß es in unserem Park keine Singvögel gibt? Wir mußten sie entfernen…«
    »Entfernen«, wiederholt er leise. »Weil sie nicht zu diesem Kies paßten, zu den Automaten und den Kugelbäumen. Man stelle sich vor, ein Amselnest in dieser Taxushecke. Es hätte den ganzen Anblick verdorben.«
    Sie schüttelt heftig den Kopf. »Aber nein! Das ist es nicht. Die Nester könnten von den Automaten mühelos entfernt werden. Und auch die Vögel selbst hätten wohl kaum gestört. Es war ihr Gesang, der Lärm. Wissen Sie, Yahiro, welchen Lärm eine Amsel machen kann? Und zu welcher Zeit. Früh um vier geht das schon los, und…«
    »Entsetzlich!« sagt er. Sie nickt ernsthaft. »Ja, entsetzlich!«
    »Und die Menschen?« erkundigt er sich. »Dürfen die denn reden?«
    »Reden? Aber ja!«
    »Oder singen? Vielleicht möchte jemand singen. Die Patienten oder der Professor, Miss Doy oder jemand anders vom Personal. Kann doch sein, daß irgend jemandem nach Singen zumute ist.«
    Wieso er ausgerechnet auf Maara Doy kommt, weiß er nicht. Vielleicht, weil sie für ihn so eine Art Festpunkt bildet auf Haston Base, Maara mit den ruhigen Bewegungen, den knappen, aber stets treffenden Bemerkungen und den immer ein wenig verträumten Augen. Vielleicht aber auch, weil er weiß, daß die anderen aus Hastons Team sie nicht besonders mögen, während sie von den Patienten fast vergöttert wird, vor allem wegen ihrer Fähigkeit, immer dann ohne ein Zeichen von Ungeduld zuhören zu können, wenn es erforderlich ist.
    Die kleine Schwester schnappt den Brocken sofort. »Was ihr nur an dieser Miss Doy findet? Ich kann mir nicht…«
    »Sagen Sie mir, ob Miss Doy singen dürfte, wenn ihr danach wäre?«
    »Ich weiß nicht, was Sie wollen, Yahiro. Selbstverständlich darf sie singen. Zweimal am Tag. Morgens und abends. Die Natio…«
    Erst als er unbändig zu lachen beginnt, begreift sie. Sie läuft neben ihm her mit kleinen trippelnden Schritten, seitwärts hüpfend und mit wippendem Kittelsaum. »Hören Sie, Vamos! Sie sind sehr ungerecht. Alles was hier getan wird, das wird für Sie und die anderen

Weitere Kostenlose Bücher