Das verhaengnisvolle Rendezvous
das Feuer in dem Lagerhaus gelegt hatte, er würde es herausfinden.
Und währenddessen, dachte er amüsiert, werde ich mit Vergnügen noch ein wenig an Natalie Fletchers Käfig rütteln. Nur so zum Spaß, um zu sehen, was passiert. Mal sehen, ob ich die coole Geschäftsfrau nicht ein wenig aus der Ruhe bringen kann.
Eine Klassefrau. Sie sah wirklich verdammt gut aus – als sei sie der Werbeträger für die Luxusartikel, die sie verkaufte.
Nachdem er aus dem Aufzug gestiegen war, ertönte der Piepser an seinem Gürtel. Schon wieder ein Feuer, dachte er und beeilte sich, zum nächstgelegenen Telefon zu kommen.
3. K APITEL
Ry ließ sie volle fünfzehn Minuten warten. Nun ja, den Trick kannte sie, sie hatte ihn auch schon oft angewandt. Darauf fiel sie mit Sicherheit nicht herein.
Er arbeitete in einer der ältesten Feuerwachen der Stadt, zwei Stockwerke über den Garagen, wo die Feuerwehrautos standen. Sein Büro befand sich in einem verglasten Kasten, der einen nicht gerade aufregenden Blick auf einen verwahrlosten Parkplatz und graue Mietskasernen bot.
Durch die geöffnete Tür sah Natalie im Nebenzimmer eine Frau lustlos auf einer Schreibmaschine herumhacken. Die Wände, in einem schmuddeligen Gelb gehalten, schrien förmlich nach einem neuen Anstrich. Vor Jahrzehnten, so stand zu vermuten, waren sie einmal weiß gewesen. Überall hingen Fotos von Brandschauplätzen – einige von ihnen erschienen Natalie so furchterregend, dass sie sich abwandte. An einer Pinnwand waren dienstliche Mitteilungen mit Stecknadeln befestigt sowie eine Reihe von Polenwitzen, die nicht unbedingt von gutem Geschmack zeugten.
Ry hatte offensichtlich keinerlei Probleme mit dem etwas zweifelhaften Humor seiner Kollegen.
Metallregale, vollgestopft mit Büchern, Akten, Pamphleten und ein paar Basketballtrophäen, standen an den Wänden. Natalie verspürte einen Juckreiz in der Nase und musste niesen. Himmel, hier lag der Staub ja beinahe fingerdick herum. Rys Schreibtisch war nicht größer als ein Kartentisch und kaum weniger ramponiert. Damit er nicht wackelte, hatte er kurzerhand ein Taschenbuch daruntergelegt. The Red Pony .
Der Mann hatte ja nicht einmal vor dem großen Schriftsteller John Steinbeck Respekt!
Weil ihre Neugier noch immer nicht gestillt war, erhob Natalie sich von dem Klappstuhl, auf dem sie gesessen hatte, ging zum Schreibtisch und fing an, ein bisschen herumzustöbern. Nichts Persönliches, registrierte sie. Keine Fotos, keine Erinnerungsstücke. Verbogene Büroklammern, abgebrochene Bleistifte, eine Nagelschere, ein vollkommen lächerliches Durcheinander von Papierbergen, in denen sich bestimmt kein Mensch zurechtfand. Aus Versehen stieß sie einen um und wich vor Schreck zurück, als darunter der Kopf einer Puppe zum Vorschein kam.
Natalie musste über sich selbst lachen, denn so furchterregend war der abgerissene Puppenkopf ja nun auch wieder nicht. Nachdenklich blickte sie auf die Überreste des Kinderspielzeugs, das gekräuselte blonde Haar war versengt, das einstmals rosige Gesicht aus Plastik war auf der einen Seite geschmolzen und starrte sie nur noch aus einem himmelblauen Glasauge an.
»Ein Souvenir«, erklärte Ry, als er ins Zimmer trat. Er hatte sie bereits seit ein oder zwei Minuten von der offenen Tür aus beobachtet. »Ein kleines Mädchen hat es mir geschenkt.« Er schaute hinunter auf den Schreibtisch. »Sie war nach dem Brand Gott sei Dank in einem etwas besseren Zustand als ihre Puppe.«
Ihr lief ein Schauer über den Rücken. »Das ist ja schrecklich.«
»Ja. Das war es wirklich. Der Vater der Kinder kippte im Wohnzimmer einen Kanister Benzin aus, weil seine Frau sich scheiden lassen wollte. Nachdem er sein Werk dann beendet hatte, war das nicht mehr nötig.«
Wie kaltschnäuzig er das erzählt, dachte sie entsetzt. Aber vielleicht kann man diesen Job nicht anders machen. »Sie haben einen traurigen Beruf, Inspector.«
»Genau aus diesem Grund liebe ich ihn.« Es klopfte zaghaft an der Glastür, und Ry deutete auf den Klappstuhl. »Setzen Sie sich. Ich bin gleich zurück.« Mit diesen Worten verschwand er nach nebenan.
Durch die geschlossene Tür vernahm Natalie Stimmen. Sie brauchte nicht erst zu hören, wie Ry seine Stimme erhob, um mitzubekommen, dass er jemandem eine Standpauke erteilte, die es in sich hatte.
»Wer hat dir gesagt, dass du frische Luft reinlassen sollst, Azubi?«
»Sir, ich hab gedacht …«
»Auszubildende haben nicht zu denken. Du weißt noch längst nicht
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