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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Männer und Frauen, die außergewöhnlich lange gelebt hatten. Aber dieser Kinlender schien unsterblich zu sein.
    »Mir liegt daran, dass ihr versteht.« N’Gama sprach wieder für den König. »Ich bin Kroch, und ich möchte, dass ihr in unsere Pläne eingeweiht seid, wenn Die Mächtigen kommen. Denn sie sind die Messer, die unsere Lebensläufe durchtrennen. Und meiner wird kurz sein wie das Leben der Seehunde.«
    N’Gama kratzte sich im Nacken. »Seht euch den Verkrüppelten an.« Er zeigte auf sein verkrüppeltes Bein. »Seht seine alten Wunden. Seht seine abgebrochenen Rückenzacken, seinen geschwächten Körper. Es waren Die Mächtigen, die ihm das vor langer Zeit angetan haben. Damals tobte ein Krieg. Wir lebten wie die Fische im Meer. Unser Geschlecht wurde vermindert. Wir waren wie Silberfische für Die Mächtigen. Sie verschlangen unsere Frauen und Kinder. Aber wir hörten auf Manannans Stimme und bargen die Wracks der Landmenschen vom Meeresgrund. Wir bauten diese Stadt und erinnerten uns an die Zeit, bevor Krim unsere Vorväter bedrohte, an die Zeit vor der Verwandlung.«
    »Wer sind Die Mächtigen?«, fragte Turvi, als N’Gama zu Ende gesprochen hatte. Der Verkrüppelte gab keine Antwort auf diese Frage.
    Kroch hob eine Hand über den Kopf, worauf einer der Krieger ihm einen Beutel aus Fischhaut reichte. Kroch schüttete den Inhalt in seine Hand und hielt Bran eine Kette entgegen. Sie ähnelte der Haifischzahnkette von Queya, mit sieben langen Reißzähnen, die einen Fingerbreit voneinander entfernt befestigt waren.
    »Die ist für dich, und wenn dein Sohn alt genug ist, soll er sie bekommen.« Etwas, das wohl einem Lächeln glich, breitete sich auf dem echsenähnlichen Gesicht N’Gamas aus. Kroch schlug sich auf die Brust, ehe er sich hinkniete und zu Bran hinüberbeugte. Er hielt die Kette in seinen Klauenfingern und fauchte. Bran war dem riesigen Kinlender noch nie so nah gewesen. Er schluckte seine Furcht hinunter, als die Pranken sich um seinen Kopf legten. Die schuppige Haut schabte über seine Wangen, und er spürte Krochs salzigen Atem in seinem Gesicht. Kroch legte die Kette um Brans Hals und richtete die Haifischzähne so, dass sie auf Brans Brust lagen. Bran fühlte Krochs Krallen auf seiner Haut. Der König betastete die Narbe an seinem Hals und legte einen Finger auf das halb abgerissene Ohr. Dann ergriff er Brans Hand und legte sie auf seine eigene Brust, damit Bran die tiefen Furchen in der Schuppenhaut fühlen konnte.
    Plötzlich lehnte sich Kroch mit einem Ruck nach hinten, griff nach seinem Eisendolch und richtete seinen Blick auf Brans Jagdmesser. Bran legte instinktiv die Hand an den abgenutzten Griff. Er verstand, was der König ihm sagen wollte. Sie waren beide Kämpfer.
    Schließlich erhob sich Kroch und begab sich mit seinen Kriegern und dem Verkrüppelten im Gefolge über den Landgang zurück auf sein Schiff.
     
    Bran legte eine Hand über die Haifischzähne. Turvi hatte ihm geraten, die Kette zu tragen; alles andere hätte als Beleidigung für Kroch und sein Volk aufgefasst werden können. Nachdem der König gegangen war, waren Dielan und Hagdar zu ihm gekommen, hatten die Zähne betastet und gesagt, dass es sich um Haifischzähne handelte. Dielan hatte sie in der Hand gewogen und gemeint, dass er besser noch ein paar Winter warten sollte, ehe er die Kette an Ulv weitergab, da die Zähne schwer und spitz wie Pfeilspitzen waren.
    Die Ankerketten rieben sich knarrend an der Reling unter ihm. Brand schaute zu dem Langschiff am anderen Ende des Atolls hinüber. Hagdar und Kaer standen im Bug und unterhielten sich. Dielan fingerte an dem Riemen, der das Steuerruder an seinem Platz hielt. Kais Sohn und Lillevord hatten eine Tonne an der Reling erklommen und beobachteten von dort aus die Fischmenschen unten im Tangwald. An der gegenüberliegenden Reling standen Storm und Zwei Messer und spähten zum Sturmrand. Die beiden Krieger hatten seit dem Unwetter nicht viel gesagt und sich meist im Halbdunkel bei der Schmiede aufgehalten. Ganz vorn im Bug stützte sich der alte Turvi auf seine Krücke und wiegte nachdenklich den Kopf. Es sah aus, als ob er Selbstgespräche führte.
    Freude und Leid, hatte der Einbeinige gesagt. An diesem Tag waren alle von Freude erfüllt. Noch kam es ihm wie ein Traum vor, was geschehen war. Er hatte sein Kind im Arm gehalten, und es hatte mit seinen winzig kleinen Fingern nach seinem Daumen gegriffen. Er hatte in die blauen Augen geschaut und sich selbst

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