Das Verheissene Land
und ein Gefolge aus Kriegern. N’Gama, der Verkrüppelte, humpelte auf Bran zu und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Krieger, die schweigend mit weißen Speeren in der Hand und Taurollen über den Schultern hinter ihrem König standen.
»Unsere Waffenmänner… Krieger… wieder zurück.« N’Gama sprach langsam, als müsse er jedes einzelne Wort aus den verborgenen Winkeln uralter Erinnerungen hervorholen. »Haben nichts gefunden. Keine toten Landmenschen. Keine Wracks. Nichts.«
Brans Blick schweifte über das Meer. Hagdar fluchte. Zwei Messer und Storm traten an die Reling, sorgsam darauf bedacht, den Abstand zwischen sich und den Kinlendern nicht zu klein werden zu lassen.
»Kroch will mit dir und dem Weisen sprechen«, sagte N’Gama. »Er will dir von unserem Weg erzählen, damit ihr vorbereitet seid. Er will dir eine Gabe überreichen, als Zeichen seines guten Willens.«
Bran fühlte Dielans Hand auf seinem Arm. Sein Bruder stellte sich an seine Seite und sah den hünenhaften Kinlender abwartend an. Bran wusste, was ihm durch den Kopf ging. Der Inselkönig von Aard hatte ihm auch eine Gabe überreicht. Er hatte ihm seine neue Sklavin gegeben, Tir. Und als Gegenleistung hatte er Gwen gefordert. Damals, dachte Bran, hatte alles seinen Anfang genommen. Als er Sar tötete, war er endgültig zum Krieger geworden. Aber dieser Riese wäre nicht so leicht zu überwinden wie der fette Inselkönig.
Kroch machte einen Schritt nach vorn. Die Sonne blitzte in seinem Perlmuttgürtel und seinem Eisendolch auf. Er verschränkte seine kräftigen Arme vor der narbigen Brust und fauchte Befehle über die Schulter. Zwei kleinere Kinlender, die Bran inzwischen als Frauen identifizieren konnte, kamen eilig herbeigelaufen und breiteten eine Haihaut auf den Decksplanken aus. Kroch legte seinen Umhang ab, der vor seinem Hals festgebunden war, und die Frauen hoben ihn auf. Dann setzte er sich. N’Gama humpelte zu Bran und legte die Hände um seine Taille, und ehe Bran sich gegen die Umklammerung seiner Klauenfinger zur Wehr setzen konnte, hatte N’Gama ihn bereits auf die Haihaut hinuntergezwungen. Bran begriff. Er sollte Kroch ansehen, wie Kroch ihn ansah.
Und dann begann der König zu sprechen. Er stieß die Worte hervor, warf den Kopf hin und her und zeigte auf die Wracks, dann aufs Meer und zum Himmel. Zweimal ballte er die Hände zu Fäusten, die er Bran entgegenhielt. Schließlich verschränkte er die Arme vor der Brust und schloss den breiten Mund. N’Gama beugte sich vor, und während Krochs Blick auf ihm, Bran und Turvi weilte, gab N’Gama die Worte des Königs in der Sprache wieder, die er noch aus der Zeit vor der Verwandlung kannte.
»Ich bin Kroch, der Stärkste. Ich bin der Haitöter. Ich werde im Kampf gegen Die Mächtigen sterben, meine Knochen sollen von den Strömungen verteilt werden, mein Blut soll sich mit dem Meer vereinen und meine Träume sollen in das Land getragen werden, in dem die Sonne versinkt. Ich bin dein Freund.«
Turvi drehte seine Handflächen nach oben. Bran tat es ihm gleich.
N’Gama schloss die Augen. Die Schuppenhaut auf seinem Kopf zog sich zusammen, als ringe er mit den nächsten Worten.
»Ich lobe… Ich ehre deinen Nachkommen. Ich ehre deine Frau.«
»Sie haben es gehört und verstanden«, sagte Turvi mit einer Hand an Brans Ohr.
Der König zischte wie eine Schlange, als er erneut das Wort ergriff. N’Gama wartete, bis er verstummte, und übersetzte das Gesagte für die anderen.
»Bleibt bei uns, solange deine Frau sich von der Geburt erholt. Manannans Volk wird euch Nahrung und Wasser geben, das der Himmel uns schenkt.«
Turvi senkte das Haupt, und N’Gama tat das Gleiche. Bran wandte seinen Blick nicht von Kroch, der ihn durch schwarze Augenschlitze anstarrte und seine Stärke auf die Probe stellte.
Kroch zog die schuppigen Hautfalten um seinen Mund nach hinten und zeigte seine spitzen Zähne. Dann knurrte er, ehe er mit seiner Rede fortfuhr, die länger ausfiel als vorher, und als er fertig war, verschränkte N’Gama die Finger ineinander und wiegte den Kopf, genau wie Turvi es immer tat. Bran ging auf, dass sowohl der König der Kinlender als auch er einen weisen Mann hatten, denen das Leben hart mitgespielt hatte. Aber dann erinnerte er sich, dass der Verkrüppelte ihm erzählt hatte, er hätte bereits in der Zeit gelebt, bevor Manannan die Kinlender verwandelt hatte. Bran hatte schon manch Erstaunliches erlebt, und es gab unendlich viele Geschichten über
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