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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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habt. Du und die Galuene, Tir.«
    »Ich und die Galuene.« Bran setzte seinen Weg nach unten fort. Für Virga und die übrigen Tirganer war Tir eine hoch stehende Frau, Galuene von Tirga und Tochter von Visikals Bruder. Aus ihrem Geschlecht stammten die mächtigsten Krieger, und durch die Adern ihres Sohnes floss das Blut ihrer Vorväter.
    Als Bran von der letzten Sprosse auf das Deck sprang, wurde er bereits von Queya erwartet, der ihn mit der offenen Hand begrüßte. Hinter dem Kinlender standen mehrere kleinere Fischmenschen ohne Rückenzacken mit gebeugten Rücken und geballten Fäusten. Bran verstand, dass sie zornig waren.
    Als Virga neben Bran aufs Deck sprang, machte Queya einen Schritt nach vorn und zeigte mit einem langen Krallenfinger auf ihn. Virga griff an seinen Gurt, aber Bran packte ihn am Handgelenk. Wenn der Tirganer sein Messer zog, würde er sich auf einen Schlag Queya und seine Krieger zu Feinden machen.
    Bran hielt das Horn vor sich und zeigte auf die Tigam. »Das andere Schiff. Wir haben das Horn geblasen, um ihnen zu sagen, wo wir sind.«
    Queya schüttelte den Kopf und kratzte mit der Kralle über die Bronze. Bran blickte in die Runde, aber N’Gama war nirgends zu sehen.
    Da drehte Queya sich zu den anderen Kinlendern um. Bran stolperte vorwärts, als Queya plötzlich an dem Horn zerrte, um es ihnen zu zeigen. Dann rasselte der Krieger laut mit seiner Haifischzahnkette, ehe er das Gleiche mit Brans wiederholte. Er sagte viele Worte zu den Kinlendern, Worte, die Bran nicht verstand. Nur eins erkannte er wieder. Queya sprach von Kroch, dem König.
    Kurz darauf zogen die Kinlender sich zurück, und Queya ließ das Horn los. Bran zupfte sein Hemd zurecht, das beinahe gerissen wäre, als der Lederriemen sich so plötzlich straffte. Queya schlug Virga mit solcher Wucht auf den Rücken, dass der Junge in die Knie ging. Dann rasselte er noch einmal mit der Haifischzahnkette und sprang über Bord.
    Bran und Virga begaben sich über den nächsten Landgang auf eines der Flöße. Virga strich sich das lange Haar hinter die Ohren, wobei er ängstlich in das klare Wasser hinunterspähte. Ein paar Mastlängen unter ihnen schwammen drei Krieger mit weißen Speeren. Zwei kleine Kinlender schwammen hintereinander durch die Tangarme.
    »Das war ein Zeichen seiner Freundschaft«, brach Virga das Schweigen. »Der große Kinlender hat den anderen deine Haifischzahnkette gezeigt. Ich glaube, er wollte ihnen damit sagen, dass ihr beide Krieger seid.«
    Bran nickte. Die Kinlender waren erzürnt, weil sie aufgrund der Hornsignale glaubten, dass Haie in der Nähe wären, aber Queya hatte sie beruhigt. Der große Krieger hatte ihn mit offener Hand begrüßt, das Zeichen für Wohlgesonnenheit.
    Virga setzte sich auf den Rand des Floßes und ließ sich ins Wasser gleiten. Er sah sich nach allen Seiten um, bevor er sich abstieß und zum Langschiff schwamm. Bran zog sich den Lederriemen über den Kopf und schob das Horn auf den Rücken. Er beschattete die Augen und blinzelte zum westlichen Rand des Atolls. Kroch hatte von Den Mächtigen gesprochen. Eine innere Stimme sagte ihm, dass sie dort unten lebten, dort, wo kein Lichtstrahl hindrang.
     
    Sie konnte sie auf der anderen Seite des Vorhangs hören. Linvi, Gwen, Nari und die anderen Frauen bereiteten das Essen vor. Das Knistern des Feuers und der Duft nach gebratenem Fisch erinnerten sie daran, wie lange es her war, seit sie das letzte Mal etwas gegessen hatte.
    Tir streichelte dem Kind über den Rücken. Es lag an ihrer Brust. Noch nie hatte sie eine solche Ruhe gespürt wie jetzt. Manchmal öffnete der Kleine den Mund, um zu gähnen, ehe er seine Mahlzeit fortsetzte. Sie hätte den Frauen auf der anderen Seite zurufen und sie bitten können, ihr etwas zu essen zu bringen, aber sie wollte ihn nicht stören. Er hatte sich seine Ruhe wahrlich verdient. Sie beide hatten sie sich verdient. Die Geburt hatte sich lange hingezogen und war schmerzlicher gewesen, als sie erwartet hatte. Die Frauen hatten um sie herum gesessen, gesungen und sie getröstet. Kiannas Hemd war ganz rot gewesen, als sie zwischen ihren Beinen gekniet hatte. Dreimal hatte Kianna die Augen geschlossen und die Lippen in einem stummen Gebet an Den, der Hörner trägt, bewegt. Denn Tir hatte nur noch ihr eigenes Schreien gehört, und alles um sie herum war ein einziger Wirbel aus Gesichtern, Talglichtern und Schatten gewesen. Sie wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, als sie plötzlich aus der

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