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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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gesehen.
    Tir und der Kleine schliefen jetzt. Sie waren beide erschöpft von der Geburt. Die Frauen hatten Bran an Deck geschickt und ihn aufgefordert, nicht vor dem Abend wiederzukommen. Eine Weile hatte er sich zu Dielan an die Reling gesellt, denn sein Bruder wusste eine Menge darüber zu erzählen, wie es war, Vater zu werden. Er erzählte von den schlaflosen Nächten, als der Kleine Zähne bekommen hatte, aber auch vom Stolz und der Anerkennung, die einem entgegengebracht wurden. Dielan sagte, ein Kind sei wie ein Hundewelpe, es brauchte Nahrung und Fürsorge und hätte nicht viel Verstand.
    Ein Zittern ging durch den Turm. Bran trat vom Geländer weg, aber diesmal war es nicht der Wind. Er warf einen Blick durch die Luke in der Mitte des Bretterbodens. Der junge Bursche kam mit verblüffender Geschwindigkeit heraufgeklettert. Bran schüttelte den Kopf. Es war Virga. Aus seinen langen blonden Haaren tropfte Wasser. Er trug nur eine kurze Segeltuchhose, und sein schmaler Rücken war von der Sonne verbrannt. Er hatte sich etwas über die Schulter gehängt. Ein Bronzehorn. Bran lächelte. Er hätte auch selbst darauf kommen können.
    Er folgte dem jungen Tirganer mit dem Blick, als er die Leiter heraufkletterte. Zwei Messer und Storm hatten Virga verhöhnt, als er von dem Fischmenschen erzählte, den sein Vater aus dem Meer gezogen hatte. Sie hatten ihn einen Schwindler genannt, aber nun wussten alle, dass er die Wahrheit gesagt hatte.
    »Ich habe das Horn mitgebracht«, sagte Virga, nachdem er sich auf den Bretterboden gehievt hatte. Er trat vorsichtig an das Geländer, zog den Riemen über den Kopf und hielt Bran das Bronzehorn hin. »Vielleicht können Nangor und die anderen es ja hören.«
    »Visikals Gabe.« Bran ergriff das Horn mit beiden Händen. Die Bronze hatte in den vielen Generationen, durch deren Hände es gegangen war, eine dicke Schicht Grünspan angelegt. Visikal hatte gesagt, dass er den Namen seines Geschlechts hören würde, wenn er es bliese.
    »Storm und Zwei Messer meinen, dass es zu spät ist. Sie meinen, dass Cergan, Chogg und Sortsverd, ihre Frauen und all die anderen, die sich an Bord des anderen Langschiffes befanden, ertrunken sind.« Virga legte eine Hand auf das Geländer und lehnte sich vorsichtig darüber. Er starrte mit großen Augen auf den Wasserspiegel. »Ist das weit bis nach unten«, sagte er und schnappte nach Luft. »Blas ins Horn, Tileder. Der Ton wird von hier oben weit getragen werden.«
    Bran stellte sich ans Geländer. Er richtete das Horn nach Süden aus, holte tief Luft und führte es zum Mund. Die Bronze fühlte sich warm an seinen Lippen an.
    Das Hornsignal schallte übers Meer. Für einen kurzen Augenblick befand Bran sich wieder im Krieg, er hörte die Bronzehörner der Skerge über dem Schlachtfeld, das Gebrüll der Männer und den Gesang der Schwerter. Dann wandte er sich nach Norden und ließ die Bronzestimme erneut bis zum Horizont schallen. Zweimal blies er in jede Himmelrichtung, ehe er das Horn absetzte und den Lederriemen über die Schulter hängte.
    »Vielleicht hätten wir das nicht tun sollen.« Virga schob sich bis an den Rand des Plateaus vor und schaute nach unten. »Bestimmt glauben sie, dass das Haialarm war.«
    Bran kratzte sich im Nacken. Die Kinlender rannten aufgeregt übers Deck und stiegen aus den Tangwäldern auf, obwohl die Wächter der anderen Türme sich über die Geländer lehnten und wild mit den Armen fuchtelten. Virga hat sicher Recht, dachte Bran. Aber nun hatte er wenigstens alles getan, was in seiner Macht stand, damit Nangor ihn hören konnte, falls er und seine Besatzung noch am Leben waren.
    »Sehen wir zu, dass wir nach unten kommen.« Bran blinzelte in die rote Sonne im Westen. Bald würde sie im Meer versinken, und dann würde es nicht mehr lange dauern, bis die Nacht hereinbrach. Der Gedanke, im Dunkeln zum Langschiff schwimmen zu müssen, behagte ihm gar nicht. Ein letztes Mal ließ er den Blick in alle vier Himmelsrichtungen schweifen, ehe er sich an den Abstieg machte.
    Virga folgte unmittelbar hinter ihm. »Die Frauen haben mir aufgetragen, dich zu holen. Das Essen ist bald fertig. Der große Mann sagt, dass du Kräfte brauchst, jetzt, wo du gerade ein Kind bekommen hast.«
    Bran hob den Blick zu den nackten Füßen über sich. »Das hat Hagdar wohl kaum gesagt. Tir hat das Kind bekommen, nicht ich.«
    Virgas Fuß tastete nach der nächsten Leitersprosse. »Nein, ich wollte natürlich sagen… dass ihr ein Kind bekommen

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