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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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abreißen. Er wollte den grauen Schleier zerfetzen und sich von all dem freimachen. Aber der Schmerz war in ihm. Er war ein Teil von ihm. Er selbst war der Schmerz.
     
    Der Schlaf lockte ihn zu sich, wie so oft, wenn der Schmerz in seinem Innern wütete. Und Bran flüchtete in den Schlaf und trieb in die Dunkelheit hinein, wo die Stimmen der Götter wie ein Lied im Wind klangen. Aber nicht einmal hier, im Reich der Träume, konnte er ihre uralten Worte deuten. Als Bran seine vom Schlaf schweren Augen öffnete, sah er das ewige Wogen der Wellen unter sich. Hinter ihm brüllte die schwarze Wolkenmauer des Sturmrands. Aber der Wind trug ihn von den Stürmen weg zum Nordstern.
    Ewig glitten die Wellen unter ihm entlang. Mit riesigen Federfingern berührte er die zerklüftete Küste im Osten und die kalten Ströme im Westen.
    Plötzlich verebbte der Wind. Er war eine Seeschwalbe und flog über einen schwarzen Strand. Die Angst war wieder da. Er sah, wie sich die Wellen an den pechschwarzen Felsen brachen, und spürte die Bosheit, die dort lauerte. Aber die Flügel trugen ihn weiter. Er flog über Berge, die spitz wie Dolchklingen waren. Hinter dem Gebirge lag eine öde Ebene, auf der Schneeflocken über vertrocknetes Gras wirbelten. Und hinter der Hochebene, verborgen in einem Ring aus Felsen, entdeckte er das Tal.
    Zwischen den Bergen hallten Schreie wider. Seine Flügel brachen wie morsche Zweige und er stürzte zu Boden.
    Bran riss die Augen auf. Sein Hemd war schweißnass. Die Sonne fiel durch den Bodenrost und malte dünne Schattenlinien an die Bordwände. Er wischte sich über den Mund und stellte fest, dass er aus der Nase blutete.
    Die Konchylien schallten über das Atoll. Bran sah durch den Rost nach draußen. Das waren die Schreie in seinem Traum gewesen. Das hatte ihn geweckt. Die Kinlender hatten etwas auf dem Meer gesehen.
    Mit einem Satz war er auf den Beinen. Er kletterte über die morsche Leiter an Deck, streckte sich unter der stechenden Sonne und lief zum Bug. Dort standen bereits mehrere Kinlender, aber er drängte sich zwischen ihnen hindurch und kletterte auf die Reling. Wieder ertönten die Konchylien. Die Turmwächter zeigten nach Süden und riefen etwas. Und da sah Bran den Mast, der sich vor dem Horizont abzeichnete. Er sah das Segel, das sich im sanften Südwind bauschte. Nangors Langschiff.
     
    Das Langschiff erreichte das Atoll bei Sonnenuntergang. Das Felsenvolk stand an Deck versammelt, während die Kinlender die dicken Taue einholten, die das Tor öffneten. Queya und seine Krieger waren dem Langschiff entgegengeschwommen, um es sicher zum Atoll zu geleiten. Sie standen im Bug, als das Schiff in die spiegelglatte Wasserfläche hinter der Mauer glitt. Nangor und seine Besatzung hatten sich in der Mitte des Decks schützend um die Frauen und Kinder geschart. Aber als Turvi einen Freudenschrei ausstieß und Nangor sah, wer sie erwartete, schoben die Tirganer ihre Messer zurück hinter die Gürtel und vergaßen ihre Furcht.
    Die Kinlender vertäuten das Langschiff direkt hinter der Tigam. Nangor kletterte neben dem Bugsteven auf die Reling und lachte aus voller Kehle, während die Männer, Frauen und Kinder auf die umliegenden Wracks und Flöße strömten. Zwei Messer und Storm umarmten Chogg und Sortsverd und lachten zum ersten Mal, seit sie den Sturmrand hinter sich gelassen hatten. Selbst Cergan, der sich im Kampf gegen Velar den Arm gebrochen hatte, rannte den Landgang hinunter, um die Verwandten seiner Frau zu begrüßen. Bran stellte sich neben den Achtersteven und blinzelte in die Sonne. Nangor reichte ihm die Hand, denn die beiden Schiffe lagen so dicht hintereinander, dass die beiden Steven sich fast berührten. Bran streckte sich und drückte dem Seeräuber die Hand.
    »Wir glaubten, ihr wäret tot«, sagte Nangor lachend. »Die Stürme hätten uns beinahe besiegt, und ich dachte…«
    »Wir haben dasselbe befürchtet.« Bran ließ seinen Blick über das Deck des schlanken Langschiffes schweifen. Die meisten Schilde hatte es von der Reling gerissen, die Stagen waren mit Barkentau geflickt, und es fehlte nicht viel, dass das Steuerruder sich von der Reling löste.
    »Keine Toten«, sagte Nangor, als hätte er Brans Gedanken gelesen. »Aber viele haben unter der Seekrankheit gelitten. Gelobt sei Manannan, dass wir die Hornsignale gehört haben. Das hat den Männern neuen Mut gegeben, so viel ist sicher. Tirgas Stimme haben sie sie genannt. Und dann haben wir Kurs nach Norden genommen,

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