Das Verheissene Land
Kinlender an die Reling liefen, schallten die Signale von jedem einzelnen Turm. Queya griff nach seinem Speer und kletterte neben dem Bugsteven auf die Reling, und N’Gama humpelte über das Deck und zischte den Kriegern Befehle zu.
»Was ist los?« Dielan erhob sich mit Konvai auf dem Arm. Hagdar und Linvi riefen ihre Kinder zusammen, während Turvi den Kinlendern hinterherhinkte.
Bran half Tir auf und brachte sie zur Luke. Die Rufe hallten zwischen den Wracks wider. Die Turmwächter richteten ihre weißen Speere nach Westen und schrien wie heisere Krähen.
»Q’I Kaya! Q’I Kaya!« N’Gama gestikulierte wild mit den Armen, worauf die Krieger über Bord sprangen. Das Wasser hinter den Mauern brodelte von Kinlendern; die Fischer ließen ihre Netze los und schwammen zu den Wracks, und Krieger schossen über den Meeresgrund. Wieder andere lösten die Flöße von den Wracks und paddelten sie in die Mitte des Atolls. Und währenddessen klangen unablässig die Rufe von den Türmen und den bleichgrauen Wracks: »Q’I Kaya! Q’I Kaya!«
»Die Mächtigen«, sagte Turvi und stützte sich auf Bran. »Die Mächtigen kommen. Bring die Frauen unter Deck, Bran.«
Aber die Frauen hatten sich längst mit ihren Kindern unter Deck in Sicherheit gebracht. Und die Männer des Felsenvolkes hatten ihre Bögen und alten Jagdspeere ergriffen und waren zum Kampf bereit. Genau wie die Kinlender spähten sie nach Westen, aber noch war nichts zu sehen. Die schuppenhäutigen Krieger standen in einer dichten Reihe an den Relings rund um das Atoll. Die übrigen Kinlender standen Rücken an Rücken auf den Flößen und starrten auf den schwarzen Wasserspiegel.
»Ich verstehe das nicht.« Hagdar stellte sich mit einem dicken Eichenspeer in der Hand neben Bran. »Ich kann kein Schiff sehen. Wovor fürchten sie sich?«
Bran sah sich um. Storm, Zwei Messer, Virga und der Rest der Tirganer hatten sich am Bug versammelt, die Schwerter und Schilde im Anschlag, als erwarteten sie den Pfeilregen der Vandarer. Queya und seine Krieger saßen auf der Reling wie riesige, silberglänzende Echsen.
Die Konchylien verstummten, als der letzte Kinlender auf das Floß kletterte.
Sie kamen wie ein reißender Strom aus dem Westmeer. Einen Pfeilschuss vor den Mauern brachen ihre Rückenflossen durch die Dünung. Sie schoben das Meer vor sich her wie eine Gezeitenwelle, und die Mauern des Atolls bebten, als Die Mächtigen abtauchten und über den Meeresgrund eindrangen. Die Männer des Felsenvolkes weinten vor Angst und baten Kragg um Stärke, denn jetzt sahen sie, vor wem die Konchylien gewarnt hatten. Haie schwammen in dichter Formation durch den Tangwald. Die weißen Körper waren so groß wie die Langschiffe. Langsam umkreisten sie die Flöße in der Mitte, auf denen die Krieger mit ihren Speeren bereitstanden.
Der erste Angriff riss die Flöße auseinander. Eine Hand voll Kinlender stürzte ins Wasser. Ein paar schafften es, sich wieder auf die Flöße zu ziehen, aber die anderen verschwanden in der Tiefe.
Danach wurde es wieder still. Nur das Schluchzen der Männer war zu hören, während die Kinlender wieder auf die aufgewühlte Wasseroberfläche starrten. Plötzlich fühlte Bran eine Klauenhand auf seiner Schulter. Queya stand neben ihm und rasselte mit seiner Haifischzahnkette.
Das Schiff knackte. Die Haie brachen durch die Oberfläche und peitschten das Wasser mit ihren Schwanzflossen. Sie wüteten zwischen den Flößen wie Wölfe in eine Schafherde, brachten zwei von ihnen zum Kentern und tauchten mit ihrer Beute im Schlund ab. Die Kinlender stürzten sich auf sie, rammten ihre Speere in die weißen Hairücken und verschwanden mit ihnen unter Wasser. Blut stieg an die Oberfläche. Zwischen den zerbrochenen Floßresten trieben zerfetzte Körper.
Queya rasselte erneut mit der Haifischzahnkette. Dann tat er dasselbe mit Brans, ehe er ihn am Arm zog. Bran ging zu Dielan, der an der Reling stand und ins Wasser starrte. Als Bran sich vorbeugte, entdeckte er den Verletzten. Der Kinlender krallte sich an die Bordwand, konnte sich aber nicht aus eigener Kraft aus dem Wasser ziehen.
»Sein Bauch…« Dielan legte den Speer weg und streckte den Arm aus. »Wir brauchen ein Tau. Wir müssen ihn da rausholen!«
Jetzt sah Bran den dunklen Blutstrom um den Kinlender herum. In seiner Bauchdecke klaffte ein handbreiter Schnitt.
Bran rannte zu den Tirganern, die im Bug standen, aber Virga hatte Dielan bereits gehört und reichte Bran eine Taurolle. Dann lief
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