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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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bald würde ihre Gier nach mehr verlangen. Sie würden sich über die Flöße hermachen, von denen aus die Krieger mit ihren weißen Speeren gegen sie kämpften. Aber was konnten die Kinlender schon gegen diese gigantischen Geschöpfe ausrichten?
    »Das ist unser sicherer Tod«, sagte Dielan. Bran blinzelte sich das Wasser aus den Augen. Er begriff nicht, weshalb die Kinlender die Flöße von den Wracks losgebunden und hierher gepaddelt hatten oder weshalb Queya ihn mitgenommen hatte. Es war sinnlos, sich aus dieser Position gegen die Haie zu verteidigen.
    »Sie kommen.« Dielan umfasste den Speer fester und krümmte den Rücken.
    Bran trat einen Schritt von der Floßkante zurück, während Queya den Kriegern Befehle zuraunte. Die Haie glitten langsam auf die Flöße zu. Die weißen Schatten unter der Wasseroberfläche kreisten Kin-Mars Krieger ein.
    Da ertönten die Konchylien. Die Haie verharrten regungslos, als machten die Signale der Wächter ihnen Angst. Queya hob den Kopf, und als er den Mund öffnete, wurde der Name mit einem Raunen von Wrack zu Wrack getragen: »Kroch… Kroch…«
    Auf dem Königsschiff hatte Kroch sich erhoben. Seine schuppigen Schultern glänzten unter der Haihaut, als er seine Faust dem Mond entgegenstreckte und ein lautes Brüllen ausstieß. Er sprang auf die Reling, warf den Umhang ab und entblößte seine zahllosen Narben vor Den Mächtigen.
    Die Haie umkreisten die Flöße ein letztes Mal und wendeten sich ihm zu. Kroch streckte die Arme zur Seite, worauf zwei Krieger vortraten und ihm Speere in die Hände legten.
    Einer nach dem anderen tauchten die Haie ab und verschwanden in der Tiefe, bis am Ende nur noch eine Haiflosse zu sehen war. Der riesige Hai wälzte sich auf die Seite und schlug mit seiner Schwanzflosse aufs Wasser.
    Bran und Dielan fielen auf die Knie, als die Welle das Floß traf. Und noch einmal ertönten die Konchylien. Alle wussten, was jetzt passieren würde. Kroch kreuzte die Speere. Dann stieß er sich von der Reling ab und sprang.
    Der Hai tauchte ab. Die Kinlender liefen an die Reling und starrten gebannt auf die schwarze Wasserfläche. Kein Laut des Zweikampfes drang an die Oberfläche. Einmal zerriss die Schwanzflosse den schwarzen Spiegel, ehe die Kämpfenden in dem Tangwald versanken.
    Die Stille lastete schwer auf dem Atoll. Kin-Mars Volk war verstummt. Die Dünung schlug seufzend gegen die Schiffsrümpfe und die Ankerketten rieben sich knarrend an den Planken.
    Bran erhob sich und stellte sich neben Queya. Der Krieger sah ihn kurz an, ehe sein Blick sich wieder auf das Wasser heftete.
    Da schoss der Hai aus der Finsternis hervor. Für die Länge eines Atemzugs stemmte sich der blutüberströmte Körper aus dem Wasser, ehe er wieder verschwand – lange genug, dass sie die verrenkte Gestalt im Schlund des Hais erkennen konnten. Kroch stemmte die Kiefer des Riesen mit einem Bein auseinander und klammerte sich an die Speere, die er ihm tief hinter das schwarze Auge gerammt hatte.
    Der Hai wälzte sich herum und warf den Kopf mit einem Ruck zur Seite. Aus den schaumgepeitschten Wassermassen stieg ein Brüllen auf. Dann sahen sie Kroch auf dem Hairücken. Sein eines Bein war unter der Hüfte abgerissen. Er hob die Speere und stieß sie hinter den Kiemen durch die Schuppenhaut. Der Hai zappelte, wälzte sich herum und tauchte ab.
    Sie warteten scheinbar eine Ewigkeit. Die zerbrochenen Rundhölzer schlugen ruhig gegen die Wracks. Das Felsenvolk leuchtete mit Fackeln übers Wasser, und Kinlender kletterten auf Geländer und Türme, um nach einem Lebenszeichen zu suchen.
    Mit einem Mal ließ Queya seinen Speer fallen und glitt ins Wasser. Er tauchte eine Armlänge tief und schwamm zu einem gekenterten Floß. Nun sah auch Bran den Körper, der aus der Dunkelheit emporstieg. Es war Kroch. Queya drehte ihn herum, als er an die Oberfläche kam, und schwamm mit ihm zurück zum Floß.
    Die Krieger zogen Kroch aus dem Wasser und stützten seinen kräftigen Oberkörper. Krochs Atem ging schwach und seine gelben Augen waren fast geschlossen. Über seiner Brust war ein Stück Fleisch bis auf die Rippen herausgerissen und aus dem Beinstumpf sickerten hellrote Rinnsale. Er legte den Kopf in den Nacken und streckte Queya den Arm entgegen. »N’Gama«, flüsterte er. »N’Gama.«
    Queya drehte sich um und rief den Namen des Verkrüppelten, der über die Reling von Brans Schiff kletterte. Er ließ sich ins Wasser fallen und schwamm zu dem Floß. Die Kinlender verharrten noch

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