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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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glaubte er etwas zu hören. Es klang wie das Rieseln eines Baches. Dann war es wieder weg. Er blinzelte in die Dunkelheit. Weit entfernt ragte ein Felsen in den Himmel, aber von dort kam der Geruch nicht. Er schloss die Augen und atmete den Duft von feuchter Erde ein. Es musste ganz in seiner Nähe sein, denn jetzt hörte er auch wieder das Gurgeln. Bran fiel auf die Knie und kroch auf allen vieren durch das hohe Gras. Das Rieseln wurde lauter und die Erde unter seinen Händen zunehmend feuchter. Plötzlich verlor er den Halt unter den Händen. Er rollte einen Abhang hinunter, überschlug sich mehrmals und landete schließlich rücklings in einer Wasserlache.
     
    Bran trank gierig mehrere Hand voll von dem kalten Wasser, das aus einer Quelle unter einem Stein hervorsprudelte und sich in der Wasserlache sammelte, in der er saß, ehe es sich seinen Weg über die Ebene suchte. Als er losging, um Dielan zu holen, sah er, dass die Ebene zum Berg hin sanft abfiel. Seine Träume hatten ihm ein Tal und einen Berg gezeigt, aber in diesem Tal gab es keine Bäume, keinen Schutz vor dem Wind. Und der Berg glich keinem der Berge, die er im Traum gesehen hatte; er war glatt wie ein Sandhaufen und sah aus wie ein Kegel, dessen Spitze gekappt worden war.
    Weit weg, vom anderen Ende der Schlucht, klang das Brüllen der Dämonen herüber, aber Bran beachtete es kaum, als er seinem Bruder Wasser in den Mund träufelte. Er füllte die Wasserschläuche und säuberte Dielans Wunde, bevor er sich selbst das Blut von den Händen und aus dem Gesicht wusch. Der Arm, an dem der rote Dämon gezerrt hatte, schmerzte noch immer, und der Ellbogen knackte, wenn er ihn bewegte. Bran zog sein Messer und tauchte es in den Tümpel, wusch das klebrige Blut ab und wischte die Klinge im Gras ab. Es war gutes Schmiedehandwerk, mit einer kräftigen und schweren Klinge, die wie ein Messer zum Häuten der Tiere gebogen war. Er hatte das Messer einem toten Vandarer abgenommen und damit seinen einzigen Pfeil aus dessen Brust herausgeschnitten.
    Bran strich das Haar zurück und wischte sich den Bart mit dem Ärmel seines Hemds trocken. Wie damals befand er sich in einem fremden Land. Sobald es hell werden würde, wollte er den Berg besteigen. Vielleicht konnte er von dort oben das Meer sehen. Er musste zu den Schiffen zurück, ehe der Hunger seinen Verstand umnebelte, wie in Vandar.
    Nass wie er war, begann er bald zu frieren. Er breitete den Wollumhang über Dielan. Dann machte er sich selbst so klein wie möglich und schob die Hände unter die Achseln. Die Wanderung durch Vandar hatte ihn gegen Kälte abgehärtet. Er wusste, dass sie ihn nicht umbringen würde, solange es noch Herbst war und die Sonne auf eine kalte Nacht einen warmen Tag folgen ließ. Darum ließ er seine Gedanken zu den Schiffen fliegen, zu Tir und dem Kind. Sie wunderten sich sicher, wo er steckte. Er hatte ihnen versprochen, nach einer Nacht zurück zu sein, inzwischen war aber fast schon die zweite Nacht vorbei. Was maßte er sich eigentlich an, ihr etwas zu versprechen? Damals, als sie noch eine Fremde für ihn war, hatte er ihr versprochen, nicht mit Visikal in den Krieg zu ziehen. Das Versprechen hatte er gebrochen. Bran legte die Hände vors Gesicht, weil die Bilder plötzlich wieder so deutlich vor ihm standen. Er hörte die rhythmischen Rufe des Heeres und fühlte seine eigene Hand am Axtgriff. Der getroffene Zauberer zuckte, als sein Leben mit dem Blut aus dem zerschmetterten Brustkorb floss. Bran sah Pfeilschauer auf die Männer herabregnen, Vandarer, die über das Deck stürmten, Feuer, Tod und aufblitzende Schwertklingen. Das waren seine Erinnerungen an den Krieg. Visikal nannte es Ehre. Für Bran war es blanker Schmerz.
     
    Als die Sonne über dem Berg aufging, war er bereits auf dem Weg. Er hatte Dielan zu trinken gegeben, die Wasserschläuche an die Bahre gebunden, und nun zog er ihn hinter sich her über die leicht abschüssige Ebene. Eine seltsame Landschaft öffnete sich vor ihm. Der Berg war der erste von vielen Steinkegeln, die aus dem Boden wuchsen. Sie waren grau und von Bachläufen durchzogen, und es gab nur wenige Felsspalten oder Klüfte, in denen sich Bäume festkrallten. Zwischen den Bergen erstreckte sich die Ebene, flach und verlassen, so weit das Auge reichte. Er befand sich auf einem grünen Gürtel zwischen der Schlucht und dem Berg. Im Norden erahnte er Bäume, aber die Luft war zu diesig, es konnten genauso gut Luftspiegelungen sein, die die Wärme oder

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