Das Verheissene Land
Gebräu.«
Bran legte die Axt zur Seite und kroch zu ihr hinüber. Er küsste sie auf die Stirn und sog den Duft ihres Haares ein, ehe er sich aufrichtete und an der Zeltöffnung in die Stiefel trat. Hier hing auch der Schafsfellumhang, den er in den kältesten Wochen des Winters getragen hatte. Er hängte ihn sich um und nahm dann den Kessel vom Feuer und legte eine Hand voll Trockentang nach. Dann beugte er sich noch einmal über sie. Sie atmete leicht und langsam, als er ihr über die Wange streichelte.
Als Bran aus dem Zelt kroch, nahm er zuerst die Stimmen am Hafen wahr. Er hörte Gelächter und Gesang über die Hausdächer schallen. Der Klang der Bronzetrommeln hallte über das Meer, und Flöten trillerten lustige Weisen in den Gassen. Der Geruch von gebratenem Fisch und gesalzenem Fleisch drang ihm in die Nase. Er roch Wein, geölte Brünnen und brennenden Tang.
Der Boden unter seinen Stiefeln war gefroren, als er über den Lagerplatz schritt. Lillevord und der Sohn von Kai waren nirgends zu sehen, doch es würde ihn nicht wundern, wenn sie sich zum Hafen geschlichen hatten, um Tarbas Gebräu zu probieren. Und der alte Krieger würde ihnen das, wenn er ihn richtig einschätzte, auch sicher nicht verwehren.
Erst als er stehen blieb, um seinen Gürtel lösen, hörte er es. Der Laut kam aus dem Zelt am Südende des Lagers, Hagdars Zelt. Es hörte sich an, als würde jemand Brot essen und dabei schmatzen. Er ging schnell über den Platz und blieb ein paar Speerlängen vor dem Zelt stehen.
»Bei Berav! Ich habe Hunger, Linvi!«
Bran lächelte. Das war Hagdars Stimme. »Hagdar?«
Es wurde still im Zelt. Er hörte jemanden darin herumkramen. Dann wurde die Decke vor dem Eingang zur Seite geschoben und Hagdars bärtiger Kopf kam zum Vorschein.
»Du bist aber spät dran, Häuptling!« Er zwinkerte ihm zu. »Kann Tir dich nicht mehr zu Hause halten?«
Hagdar wartete nicht auf eine Antwort, sondern verschwand wieder im Zelt und winkte ihn hinter sich her. Bran hockte sich hin und kroch durch die niedrige Zeltöffnung.
In Hagdars Zelt war es wärmer als in seinem, denn die Feuerstelle war lang gestreckt und glühte vor Torf und Trockentang. Seit seiner Rückkehr aus dem Krieg war er jeden Tag in diesem Zelt gewesen. Er hängte die Decke wieder vor die Zeltöffnung, ehe er sich auf das Fell am Ende der Feuerstelle setzte, während es sich Hagdar auf der anderen Seite der Glut bequem machte. Dort saßen auch Linvi und ihre drei Söhne. Linvi hatte rote Wangen und breite Hüften und lächelte wie immer. Sie legte Hagdars große Faust in ihren Schoß und der jüngste Sohn kroch zu seinem Vater und begann mit dessen Gürtel zu spielen, während er Bran betrachtete.
»Ich höre, dass es dir besser geht?« Bran warf einen Blick auf die Grillspieße, die die Jungen über die Glut hielten. Die weißen Fischstücke dampften.
»Das verfluchte Fieber ist weg.« Hagdar fuhr seinem Jüngsten durch die Haare und griff nach seinem Holzbecher. »Ich bin gerade erst aufgewacht. Jetzt habe ich Hunger wie ein Bär nach dem Winterschlaf.«
»Das freut mich.« Bran löste seinen Umhang und ließ ihn hinter sich zu Boden fallen.
Hagdar nahm einen Schluck aus seinem Becher, stellte ihn dann an seinem Fuß ab und rülpste, so dass die Flammen flackerten. Bran zog die Mundwinkel hoch. Das war der alte Hagdar, so war er vor der Schlacht in Aard gewesen. Doch er war noch immer dünn und seine kräftigen Fäuste passten so gar nicht zu der mageren Brust.
»Ihr müsst aufpassen, dass er genug isst.« Er zeigte auf den jüngsten Sohn. »Hagra, du musst dafür sorgen, dass dein Vater immer genug zu essen und zu trinken hat, damit er wieder so stark wird, wie er war!«
Der kleine Junge schluckte und starrte Bran mit großen Augen an. Dann krabbelte er zu den Grillspießen vor, nahm einen davon und gab ihn seinem Vater. Hagdar legte den Kopf in den Nacken und lachte, ehe er seinen Sohn auf den Schoß hob und sich ein Stück Fisch in den Mund steckte.
»Ich werde essen, wie ich es noch nie zuvor getan habe!« Hagdar reichte dem Jungen den Becher, der ihn mit beiden Händen vor der Brust festhielt.
Eine Weile blieb Bran einfach sitzen und sah ihm beim Essen zu. Den ganzen langen Winter über war er jeden Tag in dieses Zelt gekrochen. Linvi hatte dort oben am Ende der Feuerstelle gesessen und Hagdar hatte auf seinem Lager gelegen. In der kältesten Zeit des Winters war er wieder in einen Fieberschlaf gefallen und es hatte so ausgesehen, als
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