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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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mehr strampeln als Mädchen.«
    »Turvi ist ein Mann.« Tir fütterte ihn mit einem Fischstückchen. »Er weiß davon nichts.«
    »Turvi ist weise«, schmatzte Bran. »Er hat gemeinsam mit dem Vogelmann gegen Kretter und Vokker gekämpft. Er kann Zeichen schreiben und lesen und…«
    »Er hat nie ein Kind geboren!« Tir stellte die Schale beiseite und fasste sich an den Bauch.
    Bran befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. Auch darüber hatte Turvi etwas gesagt. »Ein paar Monde vor Ende der Schwangerschaft solltest du ihr nicht mehr widersprechen«, hatte der Einbeinige ihn ermahnt. »Frauen, die ein Kind erwarten, sind wie Göttinnen. Und du würdest doch wohl keiner Göttin widersprechen, Bran!«
    »Nein«, sagte Bran. »Du hast Recht.« Er richtete sich auf und goss seine Schale voll Fisch und Tang. Er wusste nicht, was er ihr sagen sollte, und so blieb er eine Weile einfach sitzen und aß, während er sie betrachtete. Worte waren nie seine Stärke gewesen, doch er hatte gelernt zu schweigen, wenn es nötig war.
    Sie schlug den Umhang wieder um sich. Ein schlanker Arm streckte sich aus dem Spalt und hob die Schale an. Sie schlürfte einen Schluck Suppe, nahm ein Stück Fisch mit der Hand heraus und knabberte mit den Schneidezähnen etwas von dem Fischfleisch ab.
    »Turvi ist zum Schiff gekommen.« Bran trocknete sich den Mund mit dem Hemdsärmel ab. »Er kam, kurz bevor wir für heute fertig waren. Er sagte, Hagdar gehe es besser.«
    Tir kroch zu ihrem Schlafplatz zurück. Sie bewegte sich langsam. Bran half ihr, sich auf die Seite zu legen.
    »Das Wundfieber ist von ihm gewichen.« Tir zog den Pelz unters Kinn und schloss die Augen. »Noch niemals zuvor habe ich es erlebt, dass jemand so viele Monde mit Fieber überlebt hat. Es sah wirklich so aus, als sollte er sterben. Aber er hat es geschafft. Cernunnos muss ihn gesehen haben.«
    Bran schluckte das letzte Fischstück hinunter. Er ließ den Rest Tang in der Schale liegen. »Es wäre schön gewesen, wenn du mir das eher gesagt hättest.«
    »Er brauchte Ruhe«, sagte Tir mit einem Gähnen. »Und die braucht er noch immer.« Sie öffnete die Augen und warf ihm einen scharfen Blick zu. »Gib ihm keinen Wein, auch nicht, wenn er darum bittet.«
    Bran lächelte. Es fiel ihm leicht, sie anzulächeln. Und nichts bereitete ihm größere Freude. Noch immer wachte er des Nachts mit den Schreien in den Ohren auf und sah die Pfeile in Hagdars Körper und Vares blutige Fäuste. Dann schmiegte er sich dicht an sie, verbarg sein Gesicht in ihren Haaren und sagte sich selbst immer wieder, dass es vorbei war. Nie wieder würde er im Pfeilhagel der Vandarer kämpfen müssen. Nie mehr würde er sterbende Kameraden feindlichen Äxten überlassen müssen. Der Krieg war vorüber. Er war kein Tileder mehr. Jetzt musste er an sein Volk denken und an die Reise, die ihnen bevorstand. Er musste an sie denken.
    »Wie ist es dir heute ergangen?« Er legte die Hand auf ihren Nacken und wickelte ihre hellen Locken um seinen Finger.
    »Warm.«
    Sie zog sich den Pelz bis zu den Ohren und atmete mit dem weichen Laut aus, den er so gut kannte.
    »Warm?« Bran strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Wie das? Ist das die Frühlingssonne?«
    »Lass mich jetzt. Ich bin müde.«
    Bran kratzte sich an der Brust und trat zurück. Es gab so vieles an ihr, das er nicht verstand. In den letzten Monden war sie so oft müde, aber auch das war wohl so, wie es sein sollte.
    Er setzte sich auf der anderen Seite des Zeltes auf das Fell. Hier war sein Platz und hier lagen der Weinschlauch und seine Waffen. Die Kleider, die er dem toten Vandarer abgenommen hatte, hatte er in eine Decke eingeschlagen, denn sie mochte es nicht, dass er sie aufbewahrte. Er hatte ihr nicht gesagt, dass auch das Jagdmesser, das er immer am Gürtel trug, von dem Vandarer stammte, aber warum sollte er das auch tun? Es war ein gutes Messer. Es war seine Kriegsbeute. Er nahm die Axt und begann sie mit dem Ärmel zu putzen. Es tat gut, die zweischneidige Waffe an seinen Knien zu spüren. Sie hatte viele Leben genommen und das bläuliche Metall steckte voller Erinnerungen. Er spuckte auf die Klinge und rieb sie blank.
    »Tir?«
    Sie seufzte als Antwort.
    »Die Mannschaft bat uns, zum Fest zu kommen. Tarba, Virga und die anderen meinten, ein wenig feiern täte uns bestimmt gut.«
    Sie drehte sich auf den Rücken. Der Pelz wölbte sich leicht über ihrem Magen. »Ich will schlafen. Nimm Dielan mit. Aber trink nicht so viel von Tarbas

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