Das Verheissene Land
hob den Kopf. Die Leute waren am Bug zusammengelaufen, umarmten einander und weinten und lachten vor Freude. Turvi hatte seine Krücken weggeworfen und Kaer stützte ihn, während der Einbeinige aufgeregt gestikulierte.
»Die Berge!« Turvi streckte die Arme über den Kopf. »Das sind die Berge, Freunde! Das ist Kraggs Land!«
Bran hörte den Alten, und er sah das Land, das sich vor dem Schiff aus dem Meer erhob. Im Norden ragte eine Gebirgskette aus einer lang gestreckten, frostgrauen Ebene. Sie hatten es erreicht, das Ende des Meeres, doch er fühlte keine Freude. Er fühlte nur Furcht. Denn unterhalb der Ebene, am Ufer des Meeres, schlugen die Wellen gegen einen Strand aus schwarz geschliffenen Steinen.
Er lief zurück ans Steuerruder, schob Hagdar beiseite und lenkte das Schiff vom Land weg. Aber die Strömung war stärker, und ohne die Männer an den Rudern hatte er keine Macht über das Schiff.
»An die Ruder!« Er brüllte sie an, aber sie hörten nicht auf ihn. Die Männer und Frauen umarmten sich, lachten laut und hoben die Kinder auf den Arm, damit sie ebenfalls das Land sehen konnten, das nur noch wenige Pfeilschüsse entfernt war.
»An die Ruder!« Bran rief so laut er konnte. »Wir müssen das Schiff wenden!«
Hagdar ging auf die Luke zu, zögerte und sah Bran an. »Warum müssen wir das, Bran? Das Schiff treibt doch direkt auf die Küste zu, und ich kann keine Untiefen erkennen.«
»Wir werden nicht hier an Land gehen.« Bran sah zu den glänzenden, schwarzen Steinen. Die Bilder aus seinen Träumen blitzten in seinem Kopf auf. Er sah die ertrunkene Frau, sich selbst in dem schwarzen Wasser. Dieser Ort verhieß nichts Gutes.
»Wir gehen nicht an Land?« Hagdar sah ihn erstaunt an und schüttelte den Kopf. »Was soll das heißen, Bran? Da drüben sind doch die Berge!«
Nangor rief etwas vom anderen Langschiff herüber. Er stand auf dem Querbaum an der Mastspitze und schwankte mit den Bewegungen des Schiffes hin und her. »Das ist gutes Land! Keine Schären! Bei Manannan, wenn wir anlegen wollen, müssen wir hier an Land rudern!«
Bran maß die Entfernung bis zum Ufer mit den Augen. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit. Und wenn seine Männer sich weigerten zu rudern, würde er das Schiff von dem schwarzen Strand wegsegeln müssen.
Sie standen noch immer am Bug, als er das Seil am Mastfuß losknotete. Das Segel öffnete sich. Er zog die Backbord-Schot stramm, denn es blies ein schwacher Wind vom Land. Als das Segel sich blähte, sprangen die Waldgeister von den Tonnen. Bran schob das Steuerruder von sich weg, und das Schiff drehte sich.
Nangor tat es ihm nach. Er hatte keine andere Wahl, da Bran die Tigam direkt auf sein Langschiff zusteuerte, und dem Seeräuber blieb keine Zeit zu warten, bis seine Männer an den Rudern waren.
»Was soll das, Bran?« Turvi humpelte mit den anderen im Schlepptau übers Deck. »Warum lenkst du das Schiff weg vom Land?«
»Wir werden hier nicht anlegen.« Bran begegnete seinem Blick. »Wir werden umdrehen und ein Stück nach Süden segeln, um einen besseren Platz zum Anlegen zu finden.«
»Aber besser als hier wird es woanders auch nicht sein!« Hagdar ging zu Bran und klopfte ihm auf die Schulter. »Du hast in letzter Zeit jede Nacht am Steuerruder gestanden. Du bist erschöpft. Hör auf Turvi, er sagt, dass wir hier an Land rudern sollten.«
Bran sah Tir an. Sie stand etwas abseits von den anderen. Er wollte sie anlächeln, aber es gelang ihm nicht.
»Lass uns wenigstens beratschlagen«, sagte Dielan. »Leg an Nangors Schiff an, damit wir alle gemeinsam darüber entscheiden können.«
Bran warf einen Blick über die Schulter. Die Strömung schob das Schiff aufs Land zu, aber der Wind trieb es aufs Meer hinaus. Das Schiff lag fast still auf der Stelle.
»Macht die Schlingen fest.« Er zeigte Nangor den Handrücken, das Zeichen, dass sie nebeneinander anlegen sollten. Dann kniff er die Augen zusammen und blinzelte. Die Schmerzkrallen hatten sich wieder um seine Stirn gelegt. Er sah Tir an. Sie bat Linvi, Ulv zu halten, und kam zu ihm und strich ihm übers Haar.
Die beiden Langschiffe schoben sich knarrend nebeneinander. Bran warf Nangor die Schlingen zu, und der Seeräuber vertäute die Schiffe fest miteinander, weil die See aufgewühlt war.
Die Tirganer blickten Bran zornig entgegen, als er an die Reling trat. Bran war klar, dass sie nicht vergessen hatten, was am Strand vorgefallen war, als Cergan Vile hatte töten wollen. Kuenn, Nemni und die übrigen
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